Wien - Die Schüler der Neuen Mittelschule haben bei den aktuellen Bildungsstandard-Testungen nicht besser abgeschnitten als jene der Hauptschule. Das geht aus den am Freitag veröffentlichten Zahlen hervor. Im Fach Englisch in der achten Schulstufe wurden dabei erstmals die Neuen Mittelschulen separat ausgewertet: Sie erreichten im Schnitt mit 478 Punkten praktisch den gleichen Wert wie die Hauptschulen, die bei 480 liegen.
Unangefochten an der Spitze liegen die AHS mit 600 Punkten. Insgesamt haben in Englisch im Kompetenzbereich Schreiben 37 Prozent nicht das Lehrplanziel erreicht. Beim Lesen waren es 14 Prozent, beim Hören drei Prozent.
In Salzburg und Vorarlberg erzielen die NMS-Schüler um 39 beziehungsweise 32 Punkte niedrigere Werte als jene an den Hauptschulen, in Wien schneiden dagegen die NMS-Schüler um 48 Punkte besser ab. Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) ist mit den Ergebnissen der Neuen Mittelschule zufrieden: "Sie haben größere Herausforderungen, aber die Leistung passt trotzdem." An den AHS sind die Englischleistungen am homogensten, in den Hauptschulen am heterogensten.
Für die Tests wurden im Frühjahr 2013 rund 74.000 Volksschüler der vierten Klasse im Fach Mathematik und 77.000 Schüler der vierten Klasse an der AHS, der Hauptschule und der Neuen Mittelschule im Fach Englisch abgeprüft. Im Bundesländervergleich schnitt in der Mathematik Oberösterreich (545 Punkte), gefolgt von Niederösterreich (544) und Salzburg (541), am besten ab. Der Österreich-Schnitt liegt bei 533 Punkten. Am schlechtesten lagen Vorarlberg (514), Wien (519) und Kärnten (520).
Wien führt in Englisch
Anders in Englisch: Hier liegen Wien und Niederösterreich (je 525) an der Spitze, knapp dahinter folgt Salzburg (524). Die niedrigsten Werte erzielten Kärnten (501) und die Steiermark (506). Der Österreich-Schnitt beträgt 519 Punkte. Die Unterschiede zwischen den Bundesländern sind aber relativ gering.
Verbesserungen im Vergleich zu 2009 und 2010
Jeder neunte Volksschüler - das sind elf Prozent - hat im Vorjahr bei den Bildungsstandard-Testungen in der vierten Schulstufe die Standards im Fach Mathematik nicht erreicht. Weitere zwölf Prozent konnten sie nur teilweise erfüllen.
Im Vergleich zu den Ausgangsmessungen in den Jahren 2009 und 2010 haben sich die Ergebnisse der Schüler jeweils verbessert - in Mathematik um 33 Punkte, in Englisch um 19 Punkte. Beim Schreiben haben sich die Kompetenzen der 14-Jährigen dabei nicht wesentlich verändert, beim Lesen um 24 Punkte und bei Hörübungen um 36 Punkte verbessert. Beim Sprechen, das allerdings nur in einer Stichprobe überprüft wurde, waren es gar 77 Punkte.Einschränkung: Damals seien kompetenzorientierte Erhebungen von Schülerleistungen noch wenig verbreitet gewesen und nur stichprobenartig erfolgt, diesmal seien die Schüler die Aufgaben möglicherweise ernsthafter angegangen, heißt es im Ergebnisbericht.
Bifie sieht Aufwärtstrend
Trotzdem sieht Christian Wiesner, Direktor des für die Bildungsstandards zuständigen Instituts für Bildungsforschung (Bifie), bei den Ergebnissen im Vergleich zu den Ausgangstestungen einen "deutlichen Aufwärtstrend".
Alle zwei Jahre Tests
Nächstes Jahr will Heinisch-Hosek den Schulen bei den Bildungsstandards eine Pause zum Durchatmen gönnen und dann einen neuen Testrhythmus starten. Statt wie bisher jedes Jahr sollen künftig nur noch alle zwei Jahre rotierend die Fächer Mathematik und Deutsch in der Volksschule, in der achten Schulstufe zusätzlich auch Englisch abgeprüft werden.
Heinisch-Hosek: Kein Wettbewerb
Ziel der Standards sei nicht ein Wettbewerb zwischen Bundesländern, Schulen oder Schulformen, sagte Heinisch-Hosek. Sie seien ein Instrument der Feedbackkultur. Mit der Akzeptanz durch die Schulen zeigte sie sich zufrieden: Nach den ersten Ergebnisrückmeldungen im vergangenen Jahr hätten zwei Drittel aller Schulen begonnen, etwas mit den Ergebnissen zu tun. Nur die AHS müssten noch stärker überzeugt werden, die Rückmeldemoderatoren stärker einzusetzen und dadurch Schulentwicklung voranzutreiben.
Wiesner: Wichtig für Schulentwicklung
Die Tests, betonte Wiesner, seien vor allem für die Schulentwicklung da. Für diese müsse man den Standorten aber auch Zeit geben. Gegen eine von Kritikern geforderte lediglich stichprobenartige Erhebung wehrte sich Heinisch-Hosek: "Wir wollen bis in den kleinsten Standort hineinschauen können." Dafür sei eine Vollerhebung wichtig. Wiesner: "Dann würden nur Systemdaten vorliegen, und das würde für die Schulentwicklung nichts bringen."
Migrationshintergrund hat nur wenig Einfluss
Als überraschendes Ergebnis hob Wiesner hervor, dass der Leistungsunterschied in Englisch nichts mit dem Migrationshintergrund zu tun habe, sondern fast ausschließlich auf den sozialen Hintergrund zurückzuführen sei. Der Abstand von 39 Punkten verringert sich auf sechs, wenn nur Jugendliche mit gleichem sozialem Hintergrund verglichen werden. In der Mathematik verringert sich der Leistungsunterschied zwischen Einheimischen und Migranten um die Hälfte (von 64 auf 34 Punkte), wenn der soziale Hintergrund berücksichtigt wird.
Kritik von Opposition und ÖVP
Mit Kritik vor allem an der Neuen Mittelschule haben die Opposition, aber auch die ÖVP auf die Präsentation der Ergebnisse der Bildungsstandards reagiert. Die ÖVP-Bildungssprecherin Brigitte Jank hat in einer Reaktion in Frage gestellt, wieso die Neue Mittelschule trotz zusätzlicher Mittel keine besseren Ergebnisse als die Hauptschulen liefert. Es müsse rasch evaluiert werden, wie der Mitteleinsatz so optimiert werden kann, dass die für Kinder bestmöglichen Bedingungen eröffnet werden und ob die Vorgaben des Unterrichtsministeriums angepasst werden sollten.
So sieht etwa FPÖ-Bildungssprecher Walter Rosenkranz darin, dass die Schüler der Neuen Mittelschule praktisch gleich bzw. in manchen Bundesländern schlechter abgeschnitten haben als jene der Hauptschule, den Beweis, dass die Neue Mittelschule "offensichtlich nichts taugt".
Grünen-Bildungssprecher Harald Walser ortete anstelle ein "Beschönigen von Fakten" und sieht sich auch in seiner Skepsis an der Neuen Mittelschule bestätigt. "Hier wurde ein Schultyp ins Regelschulwesen übernommen, ohne eine Evaluierung durchzuführen. Das war unverantwortlich, rächt sich nun und demotiviert die Kinder ebenso wie ihre Eltern und die Lehrkräfte!"
Das Team Stronach (TS) sieht sich indes in seiner Forderung nach einer "totalen Schulautonomie" bestärkt: Die derzeitige "Verparteipolitisierung" des Schulsystems wirke sich auf die Schülerleistungen aus, so Bildungssprecher Robert Lugar. (APA, 31.1.2014)