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Wo geht's hier zur Weltmachtstellung? John Kerry weist Joachim Gauck den Weg.

Foto: APA/EPA/Gebert

Die Einschätzung war einhellig in München: Bundespräsident Joachim Gauck hat eine große, eine wichtige Rede gehalten. Er, der sich in seiner bisherigen Amtszeit wenig bis gar nicht zu außenpolitischen Themen geäußert hat, richtete bei der Sicherheitskonferenz die weltpolitischen Koordinaten der Bundesrepublik neu aus. Von der Haltung, sich wie eine Art große Schweiz aus allem möglichst herauszuhalten, will er abgehen. Die Last der Vergangenheit - deutsche Soldatenstiefel in ganz Europa - hindere Berlin heute nicht mehr daran, international Führung und Verantwortung zu übernehmen.

Steinmeier: "Empörungsrhetorik" zu wenig

Die im Predigerton vorgetragene Ansprache und entsprechende Äußerungen von Außenminister Frank Walter Steinmeier, der schiere "Empörungsrhetorik" als zu wenig für ein so großes Land wie Deutschland bezeichnete, beschreiben einen substanziellen Kurswechsel. Von Guido Westerwelles Politik der Selbstmäßigung - manche sagen Selbstverzwergung -, ist wenig übrig. Ginge es heute noch einmal um die Entscheidung, ob Deutschland sich in einem Libyen-Feldzug engagieren will, sie würde unter diesen Auspizien wohl anders ausfallen. Anders gesagt: "Indifferenz ist keine Option mehr." So formulierte es die neue deutsche Verteidigungsministerin Ursula Von der Leyen ebenfalls in München.

Der deutsche Durchschnitts-Michel zögert

Damit räumt Berlin (vor allem vor sich selbst) ein, dass es neben der wirtschaftlichen Führungsmacht in Europa auch eine diplomatisch-militärische sein will. Die deutsche Staatsspitze hat erkannt und ausgesprochen, dass einem Staat in einer "extrem globalisierten Welt" (Gauck) nicht nur durch Handlungen, sondern auch durch Unterlassungen Verantwortung erwachsen kann. Und: Die Interessenlage der Deutschen in genau dieser Welt zwingt sie zu Aktivität, auch wenn der deutsche Durchschnitts-Michel den neuen Platz an der Sonne gemäß Meinungsumfragen gar nicht haben will.

Und die österreichischen Cousins, die alles, was in Deutschland vor sich geht, ein paar Jahre später "selbständig" nachmachen? Verteidigungsminister Gerald Klug erläuterte in München vor rund 200 Zuhörern das österreichische Profil in der internationalen Sicherheitspolitik. Die Neutralität sei unverrückbares Fundament des österreichischen Engagements, gemäß dieser würde die Republik international und im Rahmen der Uno aktiv werden. Im Gegensatz zu Berlin bleibt in Wien also alles beim Alten - auch wenn die Neutralität bloß noch Verfassungsfolklore ist, Österreich Mitglied der EU und die globalisierte Welt auch für Wien keine außenpolitische Carte blanche mehr vorhält.

Wollen die Deutschen wieder wer sein, können sich die Österreicher nicht genug damit beeilen, sich an den Spielfeldrand zu verfügen und gute Ratschläge parat zu haben. So klein kann das Land gar nicht sein, als dass seine Ambitionen nicht noch kleiner gerieten. Aus Diplomatenkreisen war zu hören, dass größere Einsätze des Bundesheeres in Afrika am Bundeskanzleramt gescheitert seien. Das könne man den Österreichern und ihren Leib-und Magen-Blättern nicht verkaufen, hieß es dort. (derStandard.at, 31.1.2014)