In den vergangenen Jahren waren es die Debatten um die US-Raketenabwehr, die Nato-Osterweiterung, Georgien oder die Energie-Transitrouten in den Westen, welche die Sollbruchstelle zwischen der amerikanischen und der russischen Interessensphäre in Osteuropa markierten. Heuer ist es in München der Kampf um die EU-Annäherung der Ukraine, der zwischen all den diplomatischen Freundlichkeiten einen handfesten Konflikt anzeigt - und beweist, dass es mit dem "Restart" der russisch-amerikanischen Beziehungen, den seinerzeit Außenministerin Hillary Clinton auf der Sicherheitskonferenz beziehungsreich mit einem roten Knopf inszenieren wollte, noch immer nicht weit her ist.

Lawrow schießt scharf

Russlands Chefdiplomat Sergej Lawrow griff die USA und Europa in München gewohnt scharfzüngig an, denn sie würden mit zweifachem Maß messen: "Wieso gibt es keine Verurteilung derer, die Regierungsgebäude besetzen, Polizisten attackieren oder rassistische, antisemitische Nazi-Slogans verwenden? Wieso wird das von der EU noch ermutigt, während ein solches Vorgehen in den EU-Staaten sofort geahndet werden würde?". Außerdem ließen weder EU noch Nato der Ukraine eine Chance auf einen eigenen Kurs, sondern oktroyierten Kiew ihre eigenen Vorstellungen.

Kerry ermutigt Kiew

US-Außenminister John Kerry konterte umgehend: In Osteuropa und auf dem Balkan stellten die USA einen Trend fest, dass Korruption, Oligarchen-Interesse und viel Geld alles daran setzten, die jungen Demokratien zu untergraben und Bürgerbewegungen einzuschränken. Deswegen: "Nirgends ist das Streben nach einer demokratischen europäische Zukunft derzeit wichtiger als in der Ukraine." Die Ukrainer hätten sich mit großer Mehrheit dafür entscheiden, "dass ihre Zukunft nicht mit einem Land alleine (Russland, Anm.) und sicher nicht unter Zwang erreicht wird. Die USA und die EU stehen mit dem ukrainischen Volk in diesem Kampf."

Klitschko warnt die Welt

Kerry wollte am Samstag in München mit den Oppositionsführern Vitali Klitschko und dem Vorsitzenden der Vaterlandspartei, Arseni Jazenjuk, sprechen. Damit steigern die USA mit Medienaufmerksamkeit und Symbolpolitik den Druck auf die ukrainische Führung und Präsident Wiktor Janukowitsch. Der hielt sich am Samstag weiter mit Fieber in einer Klinik auf. Die Opposition vermutete, dass dadurch die Wahrscheinlichkeit auf die Verhängung eines Ausnahmezustandes in Kiew und weitere, noch blutigere Auseinandersetzungen steige. Das ukrainische Militär deutete bereits ein mögliches Eingreifen an.

Im Gegensatz etwa zum Krieg der Russen in Georgien 2008 hätte dies massive Auswirkungen auf Europa und Österreich. Die Ukraine ist mit einem dichten Netz von Pipelines überzogen, ein großer Teil des russischen Gases, das nach Europa fließt, wird noch immer über die Ukraine geliefert. Es wäre nicht das erste Mal, dass der russische Energie-Gigant Gasprom den Ukrainern - und damit den Europäern - den Nachschub abdrehen würde. Die Frage, die sich dann stellte, wäre, ob die Amerikaner dann mehr als symbolisch helfen könnten. (derStandard.at, 1.2.2014)