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Umweltaktivisten protestierten im vergangenen September in Brüssel gegen die Richtlinie MiFID II zu Spekulationen mit Nahrungsmitteln.

Foto: EPA/OLIVIER HOSLET

Userin ***Petra*** fragt: "Welcher Anteil der Österreichischen Gesetzgebung beruht auf Initiativen von Seiten der EU? Ich habe mal gehört, dass ca. 80% der in Österreich (bzw. in EU-Mitgliedsstaaten generell) neu verabschiedeten Gesetze aufgrund von EU Recht erlassen werden. Mir ist natürlich klar, dass die Anteile je nach Bereich und Kompetenzteilung sehr unterschiedlich sind, aber mich hätte eine grobe Einschätzung des EU Einflusses quer über alle Rechtsmaterien interessiert."

Liebe ***Petra***, da haben Sie schon richtig gehört. 1988 schon orakelte der damalige EU-Kommissionspräsident Jacques Delors, dass in zehn Jahren 80 Prozent der Rechtsvorschriften in Wirtschaft und vielleicht auch bei Steuern und Sozialem aus Europa kommen würden. Euoprarechtsprofessorin Alina Lengauer von der Universität Wien schätzt, dass mittlerweile tatsächlich 80 bis 90 Prozent der nationalen Gesetzgebung von EU-Recht determiniert ist. "Zumindest, wenn wir die freiwilligen Anpassungen dazurechnen", so Lengauer. Vor allem das öffentlichen Wirtschaftsrecht und das Umweltrecht orientiert sich fast gänzlich an EU-Recht, während zum Beispiel Rechtsbereiche wie das Familienrecht stärker national geprägt sind.

Subsidiaritätsprinzip

Ein wichtiger Bestandteil in der legislativen Beziehung der Nationalstaaten mit der Europäischen Union ist auf alle Fälle das "Subsidiaritätsprinzip". Dieses Prinzip besagt, dass die EU nur dann Vorschriften erlassen darf, wenn dies nicht besser auf regionaler oder nationalstaatlicher Ebene geregelt werden könnte. Mit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon wurden die Mitwirkungsrechte der nationalen Parlamente zur Überprüfung der Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips verstärkt.

Überprüft wird die Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips vom EU-Unterausschuss im Nationalrat und vom EU-Ausschuss des Bundesrates. Befindet National- oder Bundesrat, dass ein Gesetz zu unrecht von der EU beeinflusst wurde, kann er eine Subsidiaritätsrüge gegenüber dem Präsidenten des Europäischen Parlaments und der Kommission formulieren und im schlimmsten Fall eine Klage beim Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) eingebringen.

Der Gesetzgebungsprozess und Mitspracherecht

Seitdem Österreich der Europäischen Union beigetreten ist, ordnet es sich auch dem Gemeinschaftsrecht unter. Nur die Grundprinzipien der Österreichischen Verfassung stehen über dem EU-Recht. Das heißt, dass die EU-Gesetzgeber, das Europäische Parlament (gewählt) und der Rat der EU (repräsentiert die Regierungen der Mitgliedsstaaten) in vielen Bereichen die österreichischen Gesetze mitbestimmen.

Das Europäische Parlament darf keine Rechtsetzungsinitiative ergreifen, das darf nur die EU-Kommission (die Kommissare werden von den Regierungen der EU-Staaten nominiert). Sie schlägt neue Rechtsvorschriften vor. Das Europäische Parlament und der Rat der EU können die Kommission auffordern, einen bestimmten Vorschlag zu unterbreiten. Solch eine Aufforderung kann aber auch auf eine Europäischen Bürgerinitiative hin erfolgen. Beschlossen werden die Gesetzesvorschläge - nach eventuellen Änderungen - von Parlament und Rat.

Bevor aber beispielsweise eine Richtlinie beschlossen wird, können das österreichischen Parlament oder der Bundesrat gegenüber den zuständigen nationalen Ministern und dem Kanzler, die ja im Rat der EU und im Europäischen Rat stimmberechtigt sind, Stellungnahmen abgeben, die zwingend sein können. Nationalrat und Bundesrat haben auch die Möglichkeit, sich direkt an die EU-Organe zu wenden. Die Europäische Kommission übermittelt alle Vorschläge für Gesetzgebungsakte vorher direkt an die nationalen Parlamente. (mhe, derStandard.at, 7.2.2014)