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Angela Merkel soll dem türkischen Premier Tayyip Erdogan den Weg in die EU freimachen. Doch die deutsche Kanzlerin steht auf der Bremse.

Foto: AP / Axel Schmidt

Mit seinem Anliegen hielt der türkische Ministerpräsident Tayyip Erdogan am Dienstag bei seinem Besuch in Berlin nicht hinter dem Berg: Deutschland möge die Türkei doch auf ihrem Weg in die EU und bei den stockenden Beitrittsverhandlungen mehr als bisher unterstützen. "Es wird unmöglich sein, das 21. Jahrhundert ohne die Türkei zu gestalten", sagte er am Vormittag bei einem Vortrag und fügte unmissverständlich hinzu: "Wir wünschen uns, dass sich Deutschland noch stärker einsetzt als bisher." Die Türkei ist seit 1999 Beitrittskandidat, die Verhandlungen laufen seit 2005.

Später, bei der deutschen Regierungschefin Angela Merkel im Kanzleramt, lobte Erdogan ausführlich die deutsch-türkischen Beziehungen. Da mochte ihm Merkel gerne zustimmen. Doch an ihrer skeptischen Haltung bezüglich einer EU-Vollmitgliedschaft ändert das nichts.

Zwar erklärte Merkel, das Kapitel 22, das die Regionalpolitik behandelt, müsse nun intensiv behandelt werden. Sie könne sich auch "sehr gut vorstellen, dass die Rechtsstaatskapitel 23 und 24 baldmöglichst geöffnet werden". Doch sie erklärte auch: "Es ist kein Geheimnis, dass ich einer Vollmitgliedschaft sehr skeptisch gegenüberstehe." Zudem sehe sie den ganzen Verhandlungsprozess "ergebnisoffen" sowie "zeitlich nicht befristet". Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) hat sich trotz der Differenzen zwischen Brüssel und Ankara wegen der Korruptionsermittlungen für schnellere Verhandlungen mit der Türkei ausgesprochen.

Merkel gab ihrem türkischen Kollegen auch noch eine Mahnung mit: "Das Demonstrationsrecht gehört zu den Grundrechten." Einig sind sich Merkel und Erdogan bezüglich Syrien. Dort seien die Zustände für die Bevölkerung unerträglich.

Wahlkampf in Berlin

Erdogan war auch nach Berlin gekommen, um dort Wahlkampf zu betreiben. In Berlin leben 200.000 Türken, und auch diese sind bei der türkischen Präsidentschaftswahl im Sommer, bei der Erdogan antreten will, wahlberechtigt. Am Dienstagabend trat er in Berlin vor 4000 Landsleuten auf, lobte die Türkei als "vorbildliche Demokratie", zählte seine Verdienste auf und verteilte am Schluss rote Rosen. Seine Kritiker nannte er "Lügner": Es gebe keine Korruption in der Türkei.

Der islamische Prediger Fethullah Gülen, der Erdogans Bewegung früher unterstützte, hat den türkischen Premier wegen Beleidigung und Hetze auf umgerechnet 30.000 Euro Schmerzensgeld verklagt. Er erklärt, Erdogan habe ihn in hetzerischer Weise angegriffen. Erdogan macht Gülen für die Korruptionsvorwürfe gegen die Regierung verantwortlich. (Birgit Baumann aus Berlin, DER STANDARD, 5.2.2014)