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Oleg Tjagnibok, Chef der Swoboda-Partei, behauptete 2004, dass die Ukraine von einer russisch-jüdischen Mafia regiert werde. Am Maidan-Platz hält er sich mit allzu offenen antisemitischen Aussagen zurück.

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Gedenkmarsch für Stepan Bandera am 1. Jänner 2014.

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Catherine Ashton, höchste Vertreterin der EU, besuchte diese Woche die ukrainische Opposition und damit auch Oleg Tjagnibok (links im Bild).

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Die Sprechchöre der Swoboda-Partei sind am Kiewer Maidan-Platz schon angekommen. Völlig egal, aus welchem Lager, "Ruhm der Ukraine, Ehre ihren Helden" hat sich unter den Demonstranten, die gegen die Regierung von Präsident Wiktor Janukowitsch protestieren, mittlerweile als Leitspruch etabliert. Es ist jedoch ein Spruch, den ukrainische Nationalisten schon 1941 zur Zeit des Zweiten Weltkriegs benutzten, als sie das Nazi-Regime bei der Vernichtung der Juden unterstützten. Damals noch mit erhobenem rechtem Arm.

Verfolgung von "Ukrainophobie"

Die Ideologien dieser Nationalisten versucht die 1991 gegründete Swoboda-Partei nun in der Gegenwart zu verbreiten. Rassismus, Antisemitismus und Antikommunismus stehen bei Swoboda-Politikern auf dem Programm und auch im Parteiprogramm. Sie fordern die strafrechtliche Verfolgung für "Ukrainophobie" und wollen die ethnische Herkunft in Pässen und Geburtsurkunden eingetragen haben. Außerdem soll es für Nichtukrainer ein Adoptionsverbot von ukrainischen Kindern geben und die Waffengesetze gelockert werden. Die Swoboda-Partei lehnt Homosexualität ab, fürchtet den Verfall traditioneller Werte und fiel in der Vergangenheit auch durch antipolnische Hetze auf.

Auf dem Maidan-Platz in Kiew haben die Vertreter von Swoboda jetzt viel Spielraum. Im Gegensatz zu den beiden anderen Oppositionsparteien, die ideologisch wenig greifbar sind, ist die politische Einordnung von Swoboda eindeutig. "Die Swoboda-Partei ist nicht vergleichbar mit Jörg Haiders oder Straches FPÖ. Sie ist um sehr vieles rechter, eher wie die Jobbik-Partei oder Vlaams Belang", erklärt Historiker Per Anders Rudling.

Fackelzug für Nazi-Kollaborateur

Swoboda-Chef Oleg Tjagnibok fiel in der Vergangenheit durch antisemitische Sager auf. Er behauptete, dass die Ukraine von einer "jüdisch-russischen" Mafia regiert werde, beschimpfte die in der Ukraine geborene US-Schauspielerin Mila Kunis als "dreckige Jüdin" und wurde unter anderem vom Simon-Wiesenthal-Zentrum im Jahr 2012 zu den schlimmsten Antisemiten gezählt.

Auf dem Maidan-Platz hingegen versucht man die Rhetorik zurückzufahren. Offen antisemitische Reden gab es bislang nicht. Doch zu Weihnachten soll ein Parlamentsmitglied von Swoboda vor johlenden Anhängern als Jude verkleidet am Maidan aufgetreten sein, berichtet Rudling und sagt: "Eine Debatte über den Vorfall gab es nicht. Swoboda kommt damit durch." Ungestört konnte die Swoboda-Partei auch ihren Fackelzug am 1. Jänner zu Ehren des Nationalhelden und Nazi-Kollaborateurs Stepan Bandera abhalten. 

Auf dem Maidan-Platz verfolgt jede Oppositionsgruppe ihre eigenen Interessen. "Was sie eint, ist der Feind - das derzeitige Regime", sagt Rudling. Auch die in den westlichen Medien vielfach dargestellte Orientierung an der EU ist in der Opposition umstritten. "Das Paradoxe ist, dass die Swoboda-Partei selbst gar keine proeuropäische Partei, sondern eine sehr EU-skeptische Partei ist", erklärt Rudling. Noch paradoxer ist allerdings, dass Swoboda-Wähler trotzdem laut Umfragen sehr proeuropäisch sind und auch eine Integration in die EU befürworten.

Vernetzt in Europa

Zumindest gut vernetzt ist die Swoboda-Partei in Europa jetzt schon. Sie ist beobachtendes Mitglied der "Allianz der europäischen nationalen Bewegung", einer Organisation, die im Jahr 2009 von Jobbik, Fiamma Tricolore und der British National Party gegründet wurde. Auch mit der deutschen NPD gibt es keine Berührungsängste, wie sich aus dem Besuch einer Delegation in Sachsen im Frühjahr 2013 schließen lässt. Deutschlands Bundesregierung berichtete auf Anfrage der Linkspartei sogar davon, dass die Swoboda-Partei in Österreich ebenfalls ein Zentrum unterhalte. Zwar gibt es keinen direkten Kontakt zur FPÖ, doch der Fraktionsvorsitzende der Swoboda-Partei im Regionalparlament der Region Lwiw, ehemals Lemberg, hegte im Gespräch mit der APA 2013 Sympathien: "Ich mag die Arbeit der FPÖ, ich schätze sie."

Auch gemäßigte westliche Politiker zeigen sich gegenüber der Swoboda, die erst im Jahr 2012 in das ukrainische Parlament einzog, seit den Protesten äußerst handzahm. US-Senator John McCain hielt neben Swoboda-Chef Tjagnibok seine Solidaritätsansprache für die Demonstranten, EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton zeigte diese Woche ebenfalls keine Berührungsängste bei Gesprächen mit allen drei Oppositionsvertretern.

Steiler Aufstieg

Die Swoboda-Partei ist zu einem sichtbaren Element der Proteste und in der politischen Landschaft der Ukraine geworden. Das war bis 2012 nicht so. Noch 2006 und 2007 erhielt Swoboda sogar in ihren jetzigen Hochburgen nicht mehr als zwei bis drei Prozent bei Wahlen. In den Jahren danach waren Swoboda-Mitglieder gern gesehene Gäste in politischen Talkshows von TV-Sendern. 2012 gelang ihnen schließlich mit überraschenden 10,4 Prozent der Wählerstimmen und 37 Mandaten der Einzug ins ukrainische Parlament. Die Wählerbasis von Swoboda befindet sich vorwiegend im Westen der Ukraine. In und um Lwiw erhielt die Partei 2012 sogar 40 Prozent der Stimmen.

Durch die Proteste stellt Swoboda nun auch den Machtanspruch und will Teil einer neuen Regierung sein. Sollten das derzeitige Regime und Präsident Janukowitsch tatsächlich abgelöst werden, stünde die Koalition allerdings abermals auf wackeligen Beinen. "Die Ukraine ist sehr gespalten. Sowohl auf lange Sicht als auch auf kurze Sicht kann ich mir nicht vorstellen, dass die drei Oppositionskräfte einen gemeinsamen Weg gehen werden", vermutet Rudling.

17 Prozent Zustimmung

Meinungsumfragen zeichnen jedenfalls ein zweigeteiltes Bild nach den Gewaltausbrüchen in den vergangenen Wochen, an denen auch Swoboda-Anhänger beteiligt waren. Demnach könnte das der Partei sowohl geschadet als auch genützt haben. Im für Swoboda positivsten Umfrageergebnis können sich immerhin 17 Prozent der ukrainischen Bevölkerung vorstellen, der Partei ihre Stimme zu geben. (Teresa Eder, derStandard.at, 6.2.2014)