Wien - Dürfen Journalisten ungefragt aus einem Facebook-Posting zitieren, wenn der betroffene Facebook-User bei seinen Einstellungen "Privat" und nicht "Öffentlich" angegeben hat? Eine spannende Frage, die sich aktuell aus einer Diskussion zwischen dem Fotografen Manfred Klimek und "Falter"-Chefredakeur Florian Klenk ergibt.

Hintergrund: Der "Falter" hat Klimek in der Ausgabe vom 29. Jänner im Artikel "Eine schwarze Nacht" über die Ausschreitungen beim Wiener Akademikerball zitiert. "Der bekannte Starfotograf Manfred Klimek schreibt zu Beginn der Demo: 'Ich hätte gerne, dass es heute ordentlich brennt'", heißt es in dem Artikel. Das Zitat stammt aus einem Facebook-Eintrag Klimeks, seinen Account hat er auf "Privat" gestellt. Später im "Falter"-Text wird Klimek noch einmal mit der Aussage zitiert, Wien habe nur "ein Krawallerl" erlebt, über das Berliner Medien keine Zeile verlieren würden.

Manfred Klimek findet es nicht in Ordnung, dass ein "privates" Facebook-Posting von ihm im "Falter" zitiert wurde, ohne vorher bei ihm nachzufragen. Er kündigt rechtliche Schritte an. Klenk sieht das anders: "Klimek hat vor 5.000 Leuten etwas geschrieben. Das ist nicht 'privat', sondern öffentlich", twittert er. Aktuell kommt Klimek auf rund 4.580 "Freunde" auf Facebook.

@dieNagashi @MatthiasCremer nochmals: klimek hat vor 5000 leuten etwas geschrieben. Das ist nicht ,privat' sondern öffentlich

— Florian Klenk (@florianklenk) February 5, 2014

Ganz einfach ist diese Frage nicht zu beantworten. "Herr Klimek wird mit einer möglichen Klage wenig Chancen haben", sagt die Juristin Birgit Kraml. Es handle sich eher um eine ethische Frage, medien- oder urheberrechtlich sieht sie keine Gefahr für den "Falter"-Chefredakteur.

Kraml ortet in Österreich eine gesetzliche Lücke, das Medienrecht sehe keine eindeutigen Antworten vor. In Deutschland sei die Lage ein wenig anders. Dort sei ein privater Facebook-Account "nicht medienöffentlich". 

Online hat der "Falter" das Klimek-Zitat mittlerweile gelöscht. Aus "Respekt von seinem Wunsch", twittert Klenk, "sein Posting war öffentlich (5000 Leser, darunter Politiker und Journalisten)".

@dieNagashi @MatthiasCremer nein. Respekt vor seinem wunsch. Sein posting war öffentlich (5000 Leser darunter politiker und journalisten)

— Florian Klenk (@florianklenk) February 5, 2014

 

"Menschliche Enttäuschung groß"

"Meine menschliche Enttäuschung ist groß, doch hier geht es um mehr, fast um Grundsätzliches, wenn man den Fall zu Ende denkt", sagt Manfred Klimek zu derStandard.at. "Florian Klenk hat aus einem meiner als 'privat' gekennzeichneten threads ('Freunde') ein Zitat entnommen, es aus dem Zusammenhang gerissen, die relativierenden Folgesätze bewusst verschwiegen und selbstverständlich nicht von mir autorisieren lassen, weil ich dieses Zitat in dieser unzulässigen Verkürzung nie autorisiert hätte."

Klenk habe den Text nur sehen können, "weil er mein Facebook-Freund ist, der Text war für andere nicht öffentlich. Klenk argumentiert jedoch, dass der Text öffentlich sei. Hier beruft er sich auf seinen Anwalt Alfred Noll und auf sein eigenes juristisches Wissen", so Klimek.

Seine Hamburger Medienanwälte würden das anders sehen, argumentiert Klimek, "und man wird die Sache - wie auch immer, auch hier gibt es verschiedene Ideen - juristisch klären müssen, denn es geht um ein Prinzip - das Prinzip des Privaten, das man sich ausbedingt und das von einem Journalisten nicht eingehalten wird."

Prozess, um "Rechtssicherheit zu erlangen"

Er fordert, dass sich seine Anwälte und jene des "Falter" zusammensetzen und die juristischen Fragen. Klimek: "Eventuell muss man einen Prozess anstreben, um Rechtssicherheit zu erlangen; eine Rechtssicherheit, die allen dient - vor allem auch den Journalisten. So gesehen hat Klenk dem deutschsprachigen Journalismus eventuell einen Dienst erwiesen, eventuell den größten Dienst, der er zu erweisen fähig ist."

Klimek fordert aber auch von Klenk "persönliche Konsequenzen". "Jemand, der einer Redaktion vorsteht, der Journalisten ausbildet, darf sich nicht solcher Mittel bedienen", sagt er. Er habe auch nicht gefordert, dass sein Zitat nachträglich in der Onlineversion und im E-Paper entfernt werde. "Ich stehe zu dem Zitat und sehe keinen Grund, warum man es jetzt entfernt; jetzt, wo es Beleg für einen Hinrichtungs-Journalismus im Sinne Michael Jeannées ist." 

Facebook-Seite wie "öffentlicher Blog"

Klenk sieht das zitierte Posting nicht aus dem Zusammenhang gerissen. "Selbstverständlich respektiere ich das Privatleben des Herrn Klimek. Wenn er sich dort über sein Privatleben äußert, geht mich das nichts an." Klimek habe seine Facebook-Seite aber wie einen öffentlichen Blog betrieben und dort politische Statements abgegeben, die von hunderten Menschen kommentiert wurden. (ae, derStandard.at, 5.2.2014)