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Während der Kurs der ukrainischen Griwna weiter fällt, geben sich Regierung und Opposition gegenseitig Schuld an der Wirtschaftsmisere. Von der EU sind die Regierungsgegner enttäuscht.

Foto: REUTERS/Vasily Fedosenko

Im Zentrum der ukrainischen Hauptstadt Kiew haben seit Anfang des Jahres reihenweise Geschäfte geschlossen. Niederlassungen der Banken sind gleichfalls verriegelt, die Krise ist auch abseits der Proteste nicht zu übersehen. Die Regierung gibt den Demonstranten die Schuld an der Misere. Dabei hatte sich der derzeitige Währungsverfall schon längere Zeit vor den aktuellen Demonstrationen angedeutet.

Das Land kann derzeit weder die Gasrechnungen in Höhe von fast 100 Millionen US-Dollar (rund 73 Millionen Euro) pro Monat an Russland bezahlen, noch ist das Land in der Lage, die Währung, die Griwna, stabil zu halten. Russlands Präsident Wladimir Putin hatte seinem Amtskollegen Wiktor Janukowitsch Mitte Dezember 2013 Kredite in Höhe von knapp elf Milliarden Euro versprochen. Die erste Tranche von knapp zwei Milliarden Euro sollte in diesen Tagen überwiesen werden. Doch seitdem der prorussische Regierungschef Nikolai Asarow vergangene Woche zurückgetreten ist, zögert Putin. Solange es in Kiew keine stabile Regierung gibt, könne die Ukraine das Geld nicht bekommen.

"Proteste schaden Wirtschaft"

Seit Beginn dieser Woche verliert die Griwna rasant an Wert. Für einen Euro mussten am Mittwoch fast zwölf Griwna gezahlt werden, vor dem Asarow-Rücktritt, waren es knapp über zehn.

Sergej Arbusow, der das Amt des Ministerpräsidenten kommissarisch ausübt, schob den Schwarzen Peter den Demonstranten zu, die seit mehr als zwei Monaten den Maidan, den Unabhängigkeitsplatz im Stadtzentrum von Kiew, besetzen. "Jeder weitere Tag, durch den das Land blockiert wird, schadet der ukrainischen Wirtschaft", sagte er während einer Kabinettssitzung in Kiew. Er warf der Opposition vor, mittlerweile nicht mehr nur die Hauptstadt wirtschaftlich zu lähmen. Im Westen der Ukraine seien bereits ganze Landesteile in die Hände der Demonstranten gefallen, das führe zu massiven Einschränkungen in den kommunalen Verwaltungen, kritisierte Arbusow.

"Verfehlte Politik"

Die Opposition wirft der Regierung unter Präsident Janukowitsch im Gegenzug eine "komplett verfehlte Wirtschaftspolitik" vor: Anstatt Ende November des vergangenen Jahres das mit der Europäischen Union schon ausgehandelte Assoziierungsabkommen zu unterzeichnen, hat der Präsident sich auf schnelle Milliardenhilfe von Russland verlassen. Das sei auch wirtschaftlich ein schwerer Fehler gewesen, heißt es in der Parlamentsfraktion der Vaterlandspartei der inhaftierten ehemaligen Premierministerin Julia Timoschenko.

EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton war am Dienstagabend zu neuen Krisengesprächen in Kiew eingetroffen. Sie sprach zunächst mit Vertretern der Opposition. Boxweltmeister Witali Klitschko von der liberalen Udar-Partei und Arseni Jazenjuk, Fraktionschef der Vaterlandspartei, forderten sie dabei einmal mehr zu raschem Handeln auf.

Doch die EU hat bisher kein fertiges Hilfskonzept in der Lade. Das wurde am Mittwoch nach einem eineinhalbstündigen Gespräch Ashtons mit Janukowitsch deutlich. Vor der Presse sprach Ashton von einem "Ukraine-Plan", der nun von den EU-Außenministern erörtert werde. Dabei gehe es nicht um kurzfristige Maßnahmen, sondern um langfristige Wirtschaftshilfe. Im Land müsse der Dialog zwischen Regierung, Opposition, Demonstranten und Zivilgesellschaft weitergehen. Zuvor hatte es aus EU-Kreisen in Kiew geheißen, Finanzhilfe in Milliardenhöhe werde erst fließen, wenn es eine neue Regierung gebe.

Klitschko hatte sich seinerseits enttäuscht über den fortgesetzten Stillstand gezeigt. Es werde immer schwieriger, mit Präsident Janukowitsch zu verhandeln. Die EU solle daher stärker als bisher auf Vermittlung drängen. "Jemand sollte alle Verpflichtungen und Zusagen festhalten".

Präsident Janukowitsch scheint indes deutlich weniger Eile an den Tag zu legen: Ende der Woche will er Wladimir Putin am Rande der Eröffnung der Olympischen Spiele in Sotschi treffen. "Dieser Mann, der sich Präsident der Ukraine nennt, holt sich seine Direktiven beim Kreml ab, als lebten wir noch oder wieder in der Sowjetunion und nicht in einem souveränen Staat", schimpfte der Chef der nationalistischen Swoboda-Partei, Oleg Tjagnibok, vor Journalisten im Parlament.

Die Demonstranten, die seit Ende November auf dem Maidan kampieren, haben ihre Entscheidung längst getroffen: "Wir bleiben so lange hier, bis Janukowitsch zurücktritt, bis eine neue Regierung dieses Land führt" , sagte ein Sprecher.

Kein Verfahren in Österreich

Berichte über eine angebliche österreichische Staatsbürgerschaft von Expremier Nikolai Asarow hat das Außenministerium in Wien indes am Mittwochvormittag zurückgewiesen. Die Staatsanwaltschaft Wien bestätigte ein - mittlerweise eingestelltes - Ermittlungsverfahren gegen den ukrainischen Großunternehmer und Parlamentarier Andrej Klujew im Jahr 2012. Neue Eingaben zu möglicher Geldwäsche durch Ukrainer in Österreich seien nicht konkret genug, um erneut Ermittlungen einzuleiten. (Nina Jeglinski aus Kiew, DER STANDARD, 6.2.2014)