Der 53-jährige Robert Hejda ist seit sieben Jahren arbeitslos und Mitglied beim Verein Aktive Arbeitslose. In dem Verein organisieren sich Menschen, die sich zum einen vom Arbeitsmarktservice, zum anderen von der Politik schlecht behandelt fühlen. Zum Teil beklagen sie auch, dass ihre Rechte nicht gewahrt bleiben.

derStandard.at: Sie sind seit geraumer Zeit arbeitslos. Da Sie Mitglied des Vereins Aktive Arbeitslose sind, gehe ich davon aus, dass Sie von weniger guten Erfahrungen zu berichten haben.

Hejda: Meine Erfahrungen sind durchmischt, wie jene aller Menschen, die über längere Zeit arbeitslos sind. Ich sage bewusst "arbeitslos", weil die neue Diktion beim AMS "arbeitsuchend" heißt. Ich habe auch einige von diesen begrenzt bis klar sinnlosen Kursen besucht. Solche in der Art, wie sie generell bei Trendwerk und Jobtransfer und IT-Works angeboten werden. Das sind Kurse, bei denen die Leute in einer ziemlich vagen Kurssituation sind, für bis zu acht Wochen. Die Zielsetzung ist, dass die Menschen für ein befristetes Arbeitsverhältnis im selben Institut als Transitarbeitskraft, also als Leiharbeitskraft verwendet werden.

derStandard.at: Sie hatten vorher einen ordentlichen Job?

Hejda: Ich komme aus dem Vertrieb, war im grafischen Gewerbe zu Hause, Key-Account-Manager, Vertriebsleiter und auch zwei Jahre selbstständig mit einem Druckerei-Vertriebsunternehmen.

derStandard.at: Und jetzt stört Sie, dass Sie quasi als Leiharbeiter weitergereicht werden?

Hejda: Die Institute versprechen, dass sie einen Zugang zum sogenannten zweiten Arbeitsmarkt haben, den sie zweifellos in einem minimalen Ausmaß haben. Sie können in einem begrenzten Ausmaß Arbeit zur Verfügung stellen, die sich aber in der Qualität von Regaleinschlichten bei großen Handelsketten, Lagerarbeit, Putztätigkeit oder bestenfalls Security erschöpft.

Es wird versucht, die Leute im Rahmen des Babe-Kollektivvertrags (private Bildungseinrichtungen, Anm.) in die jeweiligen Institute zu vermitteln. Da werden natürlich keine Vordienstzeiten angerechnet und dergleichen. Wenn dann jemand, der aus dem Handel kommt, wieder in den Handel vermittelt wird, bekommt die Dame oder der Herr vielleicht sogar die Zeiten angerechnet. Den großen Vorteil hat aber der Handelskonzern, weil er die Arbeitskraft bis zu ein Jahr gestützt bekommt mit bis zu einem Drittel der Lohnsumme. Ziel ist es, dass die Arbeitskraft dann für länger übernommen wird. Das kann gelingen oder nicht.

derStandard.at: Was ärgert Sie daran? Das ist doch gut.

Hejda: Mich ärgert die strukturelle Geschichte, die Situation von arbeitslosen Menschen und vor allem die Rechtsunsicherheit, die durch das AMS hergestellt wird. AMS-Klienten werden in keiner Weise aufgeklärt, dass sie Rechte haben und wie sie gegen irgendetwas, das sie als nicht gerechtfertigt ansehen, diese Rechtsmittel einsetzen können. Viele werden unter Druck gesetzt. Das Sozialministerium und das AMS wollen, dass die Leute möglichst keine Stimme haben. Auf die Drohung mit Bezugssperre reagieren viele einfach mit Angst und sagen Ja zu allem, aber nehmt mir doch bitte das Geld nicht weg, das ich zum Überleben brauche.

derStandard.at: Aber Sie wissen sich offensichtlich auch zu helfen.

Hejda: Ich kann mir schon helfen, aber viele nicht. Zum Beispiel ein über 50-Jähriger, der sich als Lagerarbeiter totgearbeitet und massive Probleme im Haltungsapparat hat, wird von der Pensionsversicherungsanstalt abgewiesen und wieder zum Arbeitsamt zurückgeschickt, muss in so einen sinnlosen Kurs und ist eigentlich nicht vermittelbar. Aber so kommt er aus der Statistik.

derStandard.at: Es gibt aber durchaus Menschen, die sehr qualitätsvolle Ausbildungen bekommen.

Hejda: In einem geringen Ausmaß wird so etwas manchmal ermöglicht. Um die meisten solcher Ausbildungen muss man sehr hart kämpfen. Ob man sie bekommt, hängt vom persönlichen Standing und in sehr hohem Ausmaß vom zuständigen AMS-Betreuer ab. Es gibt welche, die versuchen im Rahmen ihrer Möglichkeiten vernünftig zu agieren, und es gibt welche, die verhalten sich ihren Klienten gegenüber sehr restriktiv und sehr persönlich abwertend. Die Vorwürfe, die oft erhoben werden, dass die Vergabepraxis bei den Kursen eine Freunderlwirtschaft ist, halte ich für gerechtfertigt.

derStandard.at: Wo hatten Sie persönlich konkret Probleme?

Hejda: Mit der Gruppenzusammensetzung etwa. Da kommen Gruppen zustande wie jene, mit der ich im Trendwerk war. Da sind 20 Menschen, weiblich und männlich, von der ganz einfachen Gastarbeiterin, die nicht Deutsch spricht und immer mit irgendwelchen Putzjobs durchgekommen ist, bis zum Akademiker. Da sitzt man dann drinnen, macht sinnlose Vorstellungsrunden und wird nach kurzer Zeit in einen EDV-Raum entlassen, wo man sich dann selbstständig in einem sehr langsamen und schlecht funktionierenden Netzwerk bewerben soll. Da werden auch Leute hineingesetzt, die noch nie einen Computer aufgedreht haben.

derStandard.at: Verorten Sie das eher in der Rubrik strukturelles Problem oder als Problem bei den Kursanbietern?

Hejda: Ich nehme da das AMS Österreich nicht aus der Verantwortung. Die kaufen die Kurse in einem riesigen Ausmaß ein und wissen auch, was vorgeht. Dem AMS geht es darum, dass die Menschen aus der Arbeitslosenstatistik verschwinden. Die Aussicht auf eine wirkliche Vermittlung ist sehr gering. Und es wird extrem viel Geld hineingesteckt. Dafür, dass ein paar vorübergehend als Leiharbeitskraft arbeiten, die Institute die normalen Löhne von Personalüberlassern unterbieten können, ein paar 100 Trainer arbeiten und ein paar Institute sehr gut verdienen.

derStandard.at: Aber das AMS spricht immerhin von einer 60-prozentigen Erfolgsquote bei der Vermittlung.

Hejda: Immerhin werden Kursteilnehmerinnen gezwungen, unter Androhung des Bezugsverlustes, das anzunehmen. Was grundsätzlich nur Geldverbrennen ist, kann man nicht verbessern. Diese Kurse sind grundsätzlich ohne Sinn. (Regina Bruckner, derStandard.at, 6.2.2014)