Metallbrackets werden auf die Außenseite der Zähne geklebt.

Foto: Silvia Silli

Die Zahnspange ist derzeit nicht nur in Politikers Munde, sondern findet sich in Österreich bei fast zwei Drittel aller Kinder und Jugendlichen zumindest zeitweilig im Gebiss. Auch Erwachsene brauchen sich einer Zahnspange wegen längst nicht mehr zu schämen, gelten doch insbesondere Brackets bereits als modisches Accessoire.

Angeboren oder erworben

Dass es heute jedoch so unübersehbar viele Zahnspangenträger gibt, hat nicht nur damit zu tun, dass ein perfektes Gebiss zum optischen Muss geworden ist, sondern auch damit, dass Zahn- und Kieferfehlstellungen sich zunehmend häufen. Eine Erklärung dazu liefert Silvia Silli, Kieferorthopädin in Wien und Generalsekretärin des Verbands Österreichischer Kieferorthopäden: "Das hat in Europa mit einer genetischen Durchmengung von Menschen unterschiedlicher Herkunft und damit unterschiedlicher Kopf-, Kiefer- und Gebissformen zu tun."

Dieses genetische Tohuwabohu bleibt evolutionsbedingt nicht ohne Folgen: Immer mehr Menschen fehlt die Anlage für bestimmte Zähne, andere wiederum haben zu viele davon, die Zähne kommen an falscher Stelle heraus oder tanzen aufgrund eines angeborenen Engstands aus der Reihe.

Daumenlutschen, Schnuller- und Flaschennuckeln begünstigen zusätzlich die Entstehung von Zahn- und Kieferfehlstellungen. Süße Getränke fördern Karies und führen zu frühzeitigem Milchzahnverlust. Wandern benachbarte Zähne in vorhandene Lücken, fehlt den zweiten Zähnen der vorgesehene Platz.

Eingeschränkte Lebensqualität

"Mit all diesen Problemen lässt es sich leben, die Frage ist nur, wie", sagt Silli. Unbehandelt ist das Abbeißen, Kauen oder Schließen der Lippen schwierig. Und die Konsequenzen daraus: Sprachfehler, Schmerzen in den Kaumuskeln und Kiefergelenken, Kopfschmerzen und Ohrensausen - mitunter ist die Lebensqualität der Betroffenen massiv eingeschränkt.

Eine Korrektur ist finanziell wie medizinisch aufwendig, wird aber mit geraden Zähnen und einer harmonischen Kaufunktion belohnt. Der Zeitpunkt für eine Behandlung hängt von der jeweiligen Fehlstellung ab.

Hauptbehandlungszeitpunkt Pubertät

"Lutschoffene Bisse oder Kreuzbisse gehören zu den wenigen Fehlstellungen, die bereits im Milchgebiss korrigiert werden", sagt die Kieferorthopädin. Die ersten Zähne sind auch die klassische Domäne für herausnehmbare Spangen, denn der Kiefer ist zu diesem Zeitpunkt noch weich und formbar, so Silli. Konkret wird bei einem Kreuzbiss mit sogenannten aktiven Platten der Oberkiefer gedehnt und so der Zahnbogen erweitert. Der Zahntechniker fertigt die Kunststoffspange mit Hilfe eines Modells von Zähnen, Kiefer und Gaumen an. Der Kieferorthopäde stellt die Platte anschließend mit Dehnschrauben regelmäßig nach, um den Druck auf den Kiefer aufrechtzuerhalten.

"Der Hauptbehandlungszeitraum für die meisten Zahn- und Kieferfehlstellungen ist kurz vor beziehungsweise während der Pubertät, hier kommen meist festsitzende Spangen zum Einsatz", sagt Silli. Der Klassiker sind Metallbrackets, die auf die Außenseite der Zähne geklebt werden. Elastische Drahtbögen werden in regelmäßigen Abständen ausgewechselt, so wird die Zahnstellung korrigiert.

Transparente Brackets aus Keramik sind der Ästhetik wegen heute besonders beliebt. Besser sind sie nicht, so Silli, im Gegenteil: Metall erfülle seine technologische Funktion nach wie vor optimal. Gänzlich unsichtbar, aber nicht für alle Fehlstellungen geeignet ist die Lingualtechnik, bei der die ganze Apparatur an der Innenseite der Zähne aufgeklebt wird. Nachteil dieser Behandlung ist die anfängliche Irritation der Zunge, verbunden mit einer möglichen Behinderung der Lautbildung.

Karies und Zahnfleischentzündungen

Zwei bis drei Jahre tragen die Betroffenen die Zahnspangen in aller Regel mit sich herum. Die Angst, dass die Zähne unter den Brackets in dieser Zeit kariös werden, ist unbegründet. "Nicht die Spange macht die Zähne kaputt, mangelnde Zahnpflege und Ernährungsfehler sind die Hauptrisikofaktoren für die Entstehung von Karies und Zahnfleischentzündungen um die Brackets herum", so die Expertin. Selten kommt es zahnspangenbedingt auch zu Veränderungen an der Zahnwurzel, allerdings sind diese, so Silli, meist geringfügig und ohne Folgen für den Halt der Zähne.

Stabilisierung gegen Rückfall

Um jedoch zu verhindern, dass Zähne nach Entfernen der Spange erneut zu wandern beginnen, ist die anschließende Stabilisierungsphase entscheidend. Diese Phase der sogenannten Retention oder Rückfallneigung dauert durchschnittlich zwölf bis 24 Monate, kann aber auch lebenslang bestehen.

Zur Stabilisierung der Zähne in ihrer neuen Position wird beispielsweise ein herausnehmbares Gerät verwendet oder ein Draht (Retainer) hinter die Frontzähne geklebt. Wichtig ist laut Silli, dass Patienten darüber aufgeklärt werden, dass mit der Abnahme der Zahnspange die Behandlung nicht endet. "Ansonsten wird das Vorurteil, dass Zahnspangen nicht viel nützen, seinem schlechten Ruf tatsächlich gerecht." (Regina Walter, derStandard.at, 12.2.2014)