In Afrika wohnen derzeit eine Milliarde Menschen. Die Wirtschaftsleistung der 54 afrikanischen Länder hat sich laut IWF seit 2000 inflationsbereinigt knapp verdoppelt, das Prokopfeinkommen ist allein in den ärmeren 49 Ländern südlich der Sahara von 1380 auf 2580 US-Dollar pro Jahr gestiegen.

In absoluten Zahlen bewegt sich die Wirtschaft noch auf niedrigem Niveau, doch die Veränderungen geschehen rasant. Noch 1990 war die nominelle Wirtschaftsleistung allein Deutschlands fünfmal so groß wie die des gesamten afrikanischen Kontinents. 2009 war sie nur mehr doppelt so groß, in wenigen Jahren wird Gleichstand erreicht sein.

Raus aus der Opferrolle

Neben den nordafrikanischen Staaten entwickeln sich zumindest 23 Länder Subsahara Afrikas vielversprechend. Ghana, Sambia, Ruanda, Mosambik oder Äthiopien weisen beeindruckende Wachstumszahlen auf. Hinzu kommen die neun boomenden erdölexportierenden Länder, allen voran Nigeria und Angola.

Seit Mitte der 1990er-Jahre hat sich viel verändert in Afrika. In Afrika 3.0 sehen sich seine Bewohner nicht zuallererst als Opfer der Kolonialisierung, sondern als Teil einer globalen Weltgesellschaft, die sie mitgestalten. Eine neue Generation von Politikern, Unternehmern und Managern ist in die Führungspositionen gerückt. Es gibt mehr verantwortliche Regierungen, sensiblere Wirtschaftspolitik, ein Ende der jahrzehntelangen Schuldenkrise.

Das Auftreten der nichtwestlichen Staaten, allen voran China, Indien und Brasilien, war mit ein Auslöser für den Entwicklungsschub. Immer mehr ihrer Unternehmen machen jetzt gute Geschäfte in Afrika. Zum Vorteil beider Seiten. Neben Waren und Dienstleistungen sind es auch Ideen, die Afrika verändert haben.

China hat nicht nur seine Billigwaren, sondern auch sein autoritäres staatskapitalistisches System exportiert. Der chinesische Weg der Liberalisierung weiter Bereiche der Wirtschaft bei gleichzeitig strikter politischer Überwachung funktioniert offenbar genau dann recht gut, wenn es um die Überführung von archaisch-ländlichen Gesellschaften in moderne Wirtschaftsstrukturen geht. Äthiopien ist der größte Importeur dieser chinesischen Ideen.

Das zweite dominierende Wirtschaftsmodell ist das angelsächsische Shareholder-Value-Denken. Gewinn ist der Zweck von Wirtschaften, Gewinnmaximierung die Maxime. Amerikanisch inspirierte MBA-Ausbildungen sind auch in afrikanischen Ländern in voller Blüte. Viele der neureichen Afrikaner folgen diesen Prinzipien und sehen ihren Reichtum durch dieses Denken zusätzlich legitimiert.

Europa hat derzeit nur geringen Einfluss auf die Ideenwelt Afrikas. Obwohl es insgesamt mit seiner offiziellen Entwicklungshilfe der größte Geldgeber ist. Doch die "politisch korrekten", aber bürokratisch vorgetragenen Anliegen - von Armutsreduktion, Gender Gleichheit, über Klima und Umweltschutz bis HIV/Aids-Aufklärung - werden von Afrikanern zunehmend als lästig empfunden.

Dabei gibt es ein global sehr erfolgreiches europäisches Wirtschaftsmodell, das still und leise die Welt verändert. Allein im deutschsprachigen Raum sind mehr als 1500 Unternehmen Weltmarktführer in ganz bestimmten Marktnischen. Sie alle haben den Globalisierungsschub der vergangenen Jahrzehnte genutzt und exportieren jetzt "Kundenutzen" in die Welt. Ihr Handeln ist nicht auf kurzfristige Gewinnmaximierung ausgerichtet, sondern auf Verstehen ganz bestimmter Problemlagen und das Liefern von innovativen Lösungsmöglichkeiten.

Handeln statt verwalten, Geschäfte statt Bürokratieaufbau - damit haben China und Co Afrika verändert. Währenddessen sind viele Vorhaben der westlichen Entwicklungshilfe in der Endlosschleife von Planen, Erstellen von Studien, Assessments, Workshops und wieder Planen hängengeblieben.

Jetzt sind die europäischen Unternehmen an der Reihe, ihren Entwicklungsbeitrag für Afrika zu leisten und gleichzeitig den Platz Europas in der Ideengeschichte der Globalisierung zu festigen! (Hans Stoisser, DER STANDARD, 7.2.2014)