Wer die Postille der Familie Mölzer teils aus berufsbedingtem Masochismus, teils aus Neugier, wie viel politische Rückwärtsgewandtheit in der österreichischen Welt möglich sei, halbwegs regelmäßig liest, den wird der in der letzten Nummer enthaltene Vergleich einiger eingeschlagener Auslagenscheiben mit dem Novemberpogrom weniger überraschen als das öffentliche Aufsehen, das er noch hervorruft. Weiß er doch, dass der Geist, der diese Art von Aufarbeitung der Geschichte durchweht, Redaktionslinie seit Gründung des Blattes ist, auch schon finanziell gefördert vom Staat. Und es geht um nicht mehr und nicht weniger als darum, ob es einer solchen Gesinnung unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit gestattet sein soll, sich in einem Gemeinwesen breitzumachen, das sich offiziell zur Ablehnung jeder Art von Faschismus und Rassismus bekennt.

Unter welch windigen Vorwänden Rechtsextreme den österreichischen Mief wieder einmal in Morgenluft umzudeuten versuchen, geht schon aus Äußerlichkeiten hervor. Als Forschungsgesellschaft Revolutionsjahr 1848 wollen sie uns heuer einen Spaziergang der Burschenschafter als "Fest der Freiheit" verkaufen. Offenbar haben deren Forschungen ergeben, dass die 166. Wiederkehr eines Ereignisses, weil gar so rund, dessen Würdigung geradezu aufzwingt. Und der Mai muss es sein, obwohl revolutionäres Gedenken im vorliegenden Fall viel besser etwa zum 13. März passen würde, an dem Metternich aus Wien flüchtete, oder zum 6. Oktober, als der kaiserliche Hof sich nach Olmütz absetzte - beides unter reger Beteiligung von Studenten, die sich im Grabe umdrehen würden, wüssten sie, welche Gesinnung sich heute auf sie beruft. Sie sind gegen fürstlichen Absolutismus auf die Barrikaden gestiegen, wo jene, die sich ihre Nachfolge im Geiste anmaßen, weit schlimmere Diktaturen einst hofierten und heute verharmlosen.

Es ist natürlich kein Zufall, dass nun 1848 an den Haaren herbeigezogen werden muss. Aber das "Totengedenken" am 8. Mai, dem Tag der Niederlage ihrer Gesinnung, mit dem die Unterschiede zwischen Naziverbrechern und Naziopfern unter einem gemeinsamen Opferbegriff verwischt werden sollten, wurde allmählich obsolet, seit Forschungen etwas anderer Forscher die Lüge von den durchwegs anständigen Soldaten der Hitlerarmee platzen ließen und deren Beteiligung am Massenmorden dokumentierten. Kommt das auch noch ins Kino und ist die Krypta auf dem Heldenplatz anderweitig besetzt, lässt der Spaß am Totengedenken nach.

Eine grüne Menschenrechtsexpertin hat die bange Frage aufgeworfen, ob die Burschenschafter zu ihrem Freudenfest mit Schlägern ausrücken dürfen. Das ist nett, dürfte aber nicht ganz das Wesentliche treffen. Die Innenministerin erinnerte an das Versammlungsgesetz, wonach bei öffentlichen Belustigungen, Hochzeiten, Wallfahrten, Leichenbegängnissen und zur Ausübung eines gesetzlich gestatteten Kultus Waffen getragen werden dürfen. Nur Letzteres könnte zutreffen. Nun ist die Frage, ob Rechtsextremismus in Österreich zu einem gesetzlich gestatteten Kultus erhoben werden soll. (Günter Traxler, DER STANDARD, 7.2.2014)