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John Kerry im Kreuzfeuer der Kritik.

Foto: Reuters/Smialowski

Washington/Jerusalem/Wien – Die "Beschreibung von Aktionen, die andere unternehmen" – so nannte es US-Außenamtssprecherin Jen Psakis – aus dem Munde von US-Außenminister John Kerry bei der Sicherheitskonferenz in München und die Reaktionen darauf werfen ein grelles Schlaglicht auf das angespannte Verhältnis zwischen Washington und Jerusalem. Kerry hatte vor sich verstärkenden Boykott-Tendenzen gegen Israel gewarnt, falls die von den USA initiierten israelisch-palästinensischen Verhandlungen scheitern – und dadurch einen Sturm der Empörung in Israel hervorgerufen.

Auf Kritik und Vorwürfe von israelischen Regierungsmitgliedern, dass die Worte Kerrys einer Boykott-Aufforderung und einer Ermunterung zum Antisemitismus gleichkämen, mussten in den USA Psakis und Sicherheitsberaterin Susan Rice zur Verteidigung ausrücken: "Persönliche Attacken in Israel gegen Minister Kerry sind völlig unfundiert und inakzeptabel", twitterte Letztere. Zumindest unterschwellig wird auch daran erinnert, was die USA alles für Israel getan haben. Kerry selbst sagte am Mittwoch in einem CNN-Interview, er werde sich von Gegnern des Friedensprozesses nicht entmutigen lassen.

In Israel sprang Chefverhandlerin Zipi Livni dem US-Außenminister bei – aber die ist bei Gegnern eines Palästinenserstaates ohnehin verhasst. Das Freundlichste, was Kerry von seinen israelischen Gegnern derzeit erwarten darf, ist Satire: Tollpatschig und ahnungslos zieht er durch Israel, dessen Interessen er aufgibt, nur damit er den Friedensnobelpreis bekommt. John "the Nazi" Kerry, wie ihn ein Poster im Internet nennt, sei auch für die neuen EU-Richtlinien verantwortlich, die israelische Institutionen, die auch im besetzten Gebiet arbeiten, von EU-Förderungen ausnimmt, hieß es alsbald.

Aber Wirtschaftsminister Naftali Bennet ging am Donnerstag auch mit der früheren US-Regierung ins Gericht: Hätten die USA 2006 nicht auf Wahlen in den Palästinensergebieten bestanden, dann wäre jetzt im Gazastreifen nicht die Hamas an der Macht und Israel würde nicht unter Raketen von dort leiden.

Kontroverse um Soda Stream

Kerrys Hinweis auf wachsende Boykottierungstendenzen fand wohl unter dem Eindruck der Kontroverse um Scarlett Johansson statt: Die Schauspielerin bewirbt die Wassersprudelgeräte der israelischen Firma Soda Stream, die in der Siedlung Maale Adumim im Westjordanland einen Standort hat. Johansson wurde daraufhin von der Hilfsorganisation Oxfam als deren "Botschafterin" entlassen. Allerdings sind sich auch Kritiker der israelischen Siedlungspolitik einig, dass Soda Stream ein besonders schlechter Anlass für einen Boykott sei: Die Firma beschäftigt hunderte Palästinenser, ihr Chef Daniel Birnbaum ist bekannt dafür, sich vehement für die Rechte seiner arabischen Arbeiter einzusetzen.

Aber es gibt auch andere Anzeichen dafür, dass die BDS-Bewegung (Boycott, divestment, sanctions) zumindest psychologisch wehzutun beginnt: Kürzlich zog sich der größte holländische Pensionsfonds PGGM aus Israel zurück wie zuvor schon ein norwegischer Fonds (NPFG). Auf akademischem Gebiet beschloss im Vorjahr die (nicht sehr bedeutende) American Studies Association (ASA) einen Boykott israelischer Institutionen. 

Die US-Regierungen haben sich stets aktiv gegen BDS eingesetzt, und Kerry selbst versuchte Anfang September 2013 in Brüssel gegen die Veröffentlichung der neuen EU-Richtlinien zu intervenieren. Bei der israelischen Rechten ist der vom Friedensprozess "besessene" Kerry jedoch im Moment fast unbeliebter als Präsident Barack Obama – und das will etwas heißen. (Gudrun Harrer, DER STANDARD, 7.2.2014)