Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl hat mit den Attacken gegen seinen Parteichef Michael Spindelegger einige unangenehme Wahrheiten ausgesprochen. Spindelegger ist zwar nicht zu jung, um Finanzminister zu sein, aber zu unerfahren.
Und vor allem fehlt dem eingefleischten ÖAAB-Funktionär ein echtes Interesse an wirtschaftlichen Themen. Deshalb hat schon sein „Entfesselung der Wirtschaft“-Wahlkampf nicht funktioniert.
Und Spindelegger hat in den Koalitionsverhandlungen mit der SPÖ viele für Unternehmen schmerzhafte Zugeständnisse gemacht – wahrscheinlich einige zu viele.
GmbH-Reform als Hauptthema
Aber das heißt nicht, dass Leitl mit all seinen Argumenten Recht hat. Er schießt sich vor allem auf die Teilrücknahme der „GmbH light“ ein. Doch es ist überhaupt nicht klar, ob eine möglichst einfache und billige Gründung einer haftungsbegrenzten Gesellschaft wirklich der Schlüssel zu einem unternehmerfreundlichen Land ist.
Den haften müssen Jungunternehmer ohnehin mit allem, was sie haben, sobald sie den ersten Kredit aufnehmen. Und die GmbH light erleichtert auch das Leben für die, die etwa in der Baubranche betrügerische Absichten haben.
Auch wenn andere Länder selbst mit einer Ein-Euro-GmbH gut fahren, überzeugen mich die Argumente der Befürworter von höheren Seriositätsschwellen mehr als die Vertreter der Kammer, die seit Jahren für die Liberalisierung des GmbH-Rechts eintreten.
Zu rasch nachgegeben
Allerdings hat Leitl recht, dass man eine umfassende Evaluierung des neuen Gesetzes hätte abwarten müssen, bevor man es gleich wieder aus dem Fenster wirft. Hier hat die ÖVP mit Blick auf Steuereinnahmen der SPÖ – und hier vor allem der Arbeiterkammer – zu rasch nachgegeben.
Andere Konzessionen waren allerdings noch fragwürdiger. Die De-Facto-Senkung des Investitionsfreibetrags – das steuerbegünstigte Jahressechstel für Freiberufler – von 100.000 auf 30.000 Euro ist einfach unfair. Die Zeiten, in denen Ärzte, Anwälte und kleine Geschäftsleute Unmengen von der Steuer absetzen konnten, weshalb sie ruhig 50 Prozent statt 43 Prozent Grenzsteuersatz bezahlen sollten, ist längst vorbei.
Hier hat Leitl noch nicht laut genug geschrien – vielleicht auch, weil viele der Betroffenen in anderen Kammern Mitglied sind.
Instinkte der Neidgesellschaft
Die Einschränkung der Gruppenbesteuerung und vor allem die dämliche 500.000-Euro-Grenze für steuerliche Geltendmachung von Managergehältern schaden dem Standort wahrscheinlich mehr als sie dem Fiskus bringen. All das sind Maßnahmen, die mehr den Instinkten einer linken Neidgesellschaft dienen als einer sozialen Umverteilung.
Aber warum haben Spindelegger und sein Team hier der SPÖ eine Runde „Wünsch dir Was“ zu spielen? Ganz einfach: Das „Budgetloch“, von der ÖVP in den Verhandlungen hochgespielt, musste gefüllt werden. Und da die SPÖ einige Massensteuern schluckte – etwa bei Zigaretten, Alkohol und Autos -, musste auch die ÖVP etwas aus ihrem Klientelpool hergeben.
Warum keine Erbschafts- und Grundsteuer?
Und hier gab es bei der ÖVP ein Tabu: keine vermögensbezogenen Steuern. Damit war alles andere auf dem Tisch. Für die Abwehr der SPÖ-Forderungen nach Vermögenssteuern musste die Volkspartei einen hohen Preis bezahlen.
Viel klüger als die beschlossenen Maßnahmen wären die Wiedereinführung einer moderaten Erbschaftssteuer und vor allem eine Anhebung der viel zu niedrigen Grundsteuer aus. Beides wird vom Wifo und anderen keineswegs linken Ökonomen seit Jahren gefordert – als Schritt zur Entlastung der Arbeit. Doch das kommt für Spindelegger & Co nicht infrage.
Zu dieser unsinnigen Einbetonierung in Sachen Vermögensteuern hat Leitl selbst viel beigetragen. Und er lobt auch Spindelegger dafür, hier hart geblieben zu sein. Dann darf er sich aber nicht darüber wundern, dass anderswo die Wirtschaft bluten musste.
Wo die Kammer Reformen blockiert
Und wenn Leitl und seine Kammer bei anderen Ärgernissen für Wirtschaftstreibende – etwa die verpflichtende Mehrfachmitgliedschaft für neuartige Unternehmen, die in keine traditionelle Kategorie passen, oder die immer noch viel zu rigide Gewerbeordnung – mehr Reformwillen zeigen würden, dann wäre auch ihre Kritik am ÖAAB-Flügel der Partei glaubwürdiger. (Eric Frey, derStandard.at, 8.2.2014)