Wenn der Chef ungefragt das Handy kontrolliert und willkürlich den Lohn streicht, dann schmeckt der Kaffee in der Mittagspause für Schülerin Sophie Pennekamp besonders bitter.

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Wien - Samstagmorgen, der Wecker zeigt 6:30 Uhr, und auf mich wartet bereits ein cholerischer Chef sowie eine Zwölf-Stunden-Schicht bei einstelligen Plusgraden. Da meine Firma derzeit keine Pullover mit Logo auf Lager hat, muss ich im offenen Marktstand im T-Shirt Kaffees verkaufen.

Es ist Wahlkampf und ausgerechnet hier auf dem Viktor-Adler-Markt, meinem Arbeitsplatz, muss Heinz-Christian Strache fast täglich seine Stammtischparolen rausbrüllen, weshalb fast nur berauschte, frustrierte FPÖ-Wähler mit Glatze zu mir kommen. Nach stundenlangem Schunkeln zur Volksmusik lassen sie sich bei mir am Stand über die "Scheißkanacken" aus - doch hinter der Theke darf meine türkische Kollegin ihnen die Wiener Melange mit einem Lächeln servieren.

Gehalt nach Lust und Laune

Oftmals kommen aber auch gar keine Kunden, was die Zeit noch langsamer vergehen lässt. Mein Chef nimmt das freilich zum Anlass, mir weniger Arbeitsstunden zu verrechnen, da ich ja "eh nichts zu tun hatte". Er hingegen hatte reichlich zu tun: Online-Shopping und "Angry Bird" spielen.

Als Schüler benötigt man fast immer Geld, und irgendwann erreicht man dann den Punkt, an dem die eigenen Vorstellungen vom Taschengeld sich nicht mehr mit denen der Eltern vereinbaren lassen.

Ich durfte schon in einem Großhandel, einer Parfümerie oder - der Klassiker schlechthin - in einem Callcenter arbeiten. Abgesehen davon, dass die Arbeit an sich schon stumpfsinnig ist, erinnerte die Bezahlung dort eher an eine freiwillige Spende als ein fixes Gehalt. Also wechselte ich meinen Arbeitgeber zu "Coffeeshop" - und geriet nichtsahnend vom Regen in die Traufe.

An sich hätte ich schon zu Beginn an stutzig werden sollen, da die dreitägige Einschulung im Burgenland nicht bezahlt wurde und mein Chef sehr unorganisiert wirkte.

Handykontrollen vom Chef

Auch meinen Arbeitsvertrag bekam ich erst nach zwei Monaten und ständigem Nachhaken. Die vom Unternehmen vorgegebenen 8,50 Euro strich mein Chef mit seinem Bleistift zu mickrigen 5,50 Euro, wobei er sich selbst an diesen Stundenlohn nicht zwingend hielt. Aus seiner Sicht war das nur logisch: Macht er keinen Umsatz, kann er auch die Angestellten nicht bezahlen.

Wochen später am Marktstand: Ein hektischer Kunde schüttet mir versehentlich seinen Kaffee über die Hände, weshalb ich mir diese und meine dreckige Arbeitskleidung waschen muss. Doch kaum bin ich dabei, läutet schon mein Handy: Ich solle nicht so viel Wasser verschwenden, ruft mir mein Chef in den Hörer. Über die vielen Kameras kann er mich den ganzen Tag beobachten, auch wenn er in seiner zweiten Filiale in Gerasdorf sitzt.

Obwohl mir eine halbe Stunde Mittagspause zusteht, bekomme ich nur fünf bis zehn Minuten. Die reichen gerade mal aus, um mir einen Kaffee zu machen, der dann nach heißem Karamell und zu wenig Lohn schmeckt. Natürlich: Rückblickend hätte ich etwas sagen müssen, als unsere Handys ohne zu Fragen kontrolliert wurden, doch damals habe ich mich schlicht nicht getraut.

Genau das aber wusste mein Chef und nutzte es aus. Mittlerweile würde ich mir jedenfalls nicht mehr alles gefallen lassen, nur um mir das eine oder andere Shirt mehr leisten zu können. (Sophie Pennekamp (18), DER STANDARD, 10.2.2014)