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Den Segen der Kirche für das monumentale Loch unter dem Semmering hat Verkehrsministerin Doris Bures. Jenen des Verwaltungs­gerichtshofs hingegen nicht.

Foto: AP/Hans Punz

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Grafik: APA

Wien – Der Baubeginn im Jänner – bevor der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) alle anhängigen Beschwerden abgearbeitet hat – war vielleicht doch etwas voreilig. Wohl hatte der VwGH, wie versprochen, noch vor Weihnachten und noch unter seinem alten Präsidenten Clemens Jabloner sein umfangreiches Urteil über Baubewilligung und Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) für den Semmeringbasistunnel gesprochen. Das allerdings nicht im Sinne des Verkehrsministeriums und der ihr unterstellten ÖBB.

Die höchsten Verwaltungsrichter der Republik legen auf den am Montag veröffentlichten 158 Seiten penibel dar, dass die Bewilligungen für den 27 Kilometer langen Bahntunnel unter dem Semmering doch nicht ganz den in Österreich geltenden Gesetzen und Verordnungen entsprechen.

Zentraler Punkt in der doch umfangreichen Mängelliste: Ein Sachverständiger entsprach nicht den Richtlinien und war nicht nach Eisenbahngesetz beeidet, somit nicht zu Gutachten berechtigt, weil kein Nachweis vorliege, dass er die im Gesetz vorgesehene Qualifikation zur Beurteilung der Eisenbahntechnik habe.

Fehlerbehebung

Daher müsse ein neues Gutachten erstellt werden, mit einem berechtigten anderen Gutachter. Der vom Ministerium zwecks Begutachtung der von der Bahn erstellten Expertisen beauftragte Sachverständige ist demnach zwar für die Arbeit geeignet, hat aber Subaufträge an Personen weitergegeben, die dafür nicht beeidigt waren. "In den vorgelegten Verwaltungsakten findet sich kein Nachweis, wonach der Gutachter dafür beeidet wäre" , heißt es wörtlich. Geltend gemacht worden war der Befähigungsnachweis von der Umwelt- und Naturschutzorganisation Alliance für Nature.

Abgesehen von Drainage- und Sicherungsarbeiten darf vorerst nicht weitergebaut werden, hieß es seitens des Gerichts am Montag. Die UVP muss wiederholt werden. Letzteres wohl nicht zur Gänze, aber in wichtigen Teilen.

Außerdem stellt der VwGH fest, dass die Lärmbelastung eines Hofes nicht richtig erhoben wurde. Die Lärmbelastung hätte bei den angrenzenden Naturteichen tatsächlich gemessen werden müssen statt nur bei den Wohnzimmerfenstern. Die vorgelegten Lärmberechnungen seien ebensowenig ausreichend wie jene durch den Bahnbetrieb: "Der Messung ist der Vorrang vor einer Berechnung von Immissionen einzuräumen" , heißt es im Spruch der Richter. Das umfasse auch die Baustelle, nicht nur Bahnbetrieb und natürlich auch allfällige Schallpegelspitzen.

Deponie ohne Genehmigung

Genauer auseinandersetzen müssen hätte sich die Bahn laut VwGH auch mit Landwirtschaft und Ökologie, insbesondere mit einer Bio-Permakulturanlage im Tunnelgebiet und zwar hinsichtlich Eigentumsgefährdung infolge möglichen Ertragsverlustes.

Dick kommt es bei der umstrittenen Deponie Longsgraben: Sie ist genau genommen ein Schwarzbau, weil ohne abfallrechtliches Verfahren errichtet. Eine Deponie für Tunnelausbruch und Baureststoffe sei keine Eisenbahnanlage, und daher auch nicht als solche zu genehmigen, sagt ein Verwaltungsrechtler zum Standard.

Zurückgewiesen haben die Höchstrichter den Vorwurf von Tunnelgegnern, dem Semmeringtunnelprojekt mangle es an verkehrspolitischer Zweckmäßigkeit. Dies sei – wie auch die von Alliance for Nature vorgebrachten denkmaschutzrechtlichen Einwänden – nicht Gegenstand eines UVP-Verfahrens. Außerdem habe das Ministerium "in überzeugender Weise dargelegt, dass die Errichtung des SBT im öffentlichen Interesse liegt" . Zweifel an der Verträglichkeit des Tunnels für den Bergwasserkörper wies das Gericht ab. Die geplanten vorauseilenden Injektionen zur Verhinderung von Wasserzutritten dienten dazu, die Auswirkungen auf Grund- und Bergwasser zu minimieren. Die ÖBB setzt die Hauptbauarbeiten aus, hält am Projekt aber fest. (ung, DER STANDARD, 11.2.2014)