"Schanghai isst!", so könnte man zusammenfassend die Dichte an Restaurants und Garküchen in der Stadt beschreiben. Denn wer nicht sofort wieder aus der Smog-Megacity flieht, kann sich in aller Ruhe dem angebotenen Brot und den Spielen hingeben

Schanghai ist nicht China - und genau diese Tatsache scheint viele Chinesen aus der Provinz anzulocken.  Daher kommt es eher der Nadel im Heuhaufen gleich, einen echten Schanghainesen in Schanghai kennen zu lernen. Doch ich hatte Glück und bin an meinem zweiten Tag sogar von zwei echten Shanghainesen - Liu Yi und Peter -  in die lokale Küche eingeführt worden.

Habe ich doch schon viel Schlechtes über Schanghai geschrieben, so muss ich gestehen, dass es mich auch zum Lachen bringt. Insbesondere dann, wenn die pikante Unterwäsche der 23 Millionen Einwohnerstadt am Straßenrand ungeniert zum Trocknen hängt.

Foto: Bianca Gusenbauer

Knödel, wie auch Tobias Müller bereits ausführlich berichtet hat, sind des Schanghainesen Stolz und voll mit Kindheitserinnerungen, wie mir Peter schlürfend bei den leckeren Sesamknödeln erzählt. Seit er denken kann, ist er in seiner Kindheit mit seiner Mutter einmal pro Monat in dieses Lokal zum Knödelessen gekommen.

Foto: Bianca Gusenbauer

Apropos Peter: das ist nicht sein richtiger Name, sondern Chinesen versuchen es den Ausländern leicht zu machen und legen sich dafür eine zweite - englische - Identität zu. Das macht es - wie   ich finde - noch verwirrender und schwieriger, sich die Namen und Personen zu merken.  Liu Yi nennt sich auf Englisch Luise, aber das habe ich verweigert, denn so schlau bin ich schon, dass ich mir diesen einfachen Namen merken kann. 

Foto: Bianca Gusenbauer

Nicht nur Knödel, sondern Nudelteige generell haben eine große Bedeutung in der chinesischen Küche. Bereits bei diesem sehr traditionellem Frühstück gibt es einen Reisteig als Bindeglied. Knusprig, fett, zuckrig und ein bisschen teigig schmeckt dieses traditionelle Schanghai-Frühstück, das es nur noch selten in der Stadt zu kaufen gibt.

Foto: Bianca Gusenbauer

Das älteste Nudelrezept stammt aus China und soll bereits mehr als 4.000 Jahre alt sein. Das Gerücht hingegen, dass Marco Polo von China die Nudeln nach Italien gebracht haben soll, würde den Chinesen zwar gut gefallen, ist aber historisch nicht belegbar.

Foto: Bianca Gusenbauer

Wenn man durch die Straßenküchen von Schanghai streift, dann wird man von den hohen Künsten der La-Mien-Nudelherstellung fast hypnotisiert. Sprichwörtlich in Nullkommanix fertigen die La-Mien-Herren mit ihren bloßen Fingern aus einem Patzen Teig millimeterdünne Nudeln.

Foto: Bianca Gusenbauer

Die Nudelherstellung scheint Männer- und die Produktion der Knödel Frauensache zu sein. Keine einzige Frau konnte ich sichten, die sich mit La Mien beschäftigt hätte. Zu körperlich anstrengend sei die Arbeit für Frauen, habe ich als Erklärung zu hören bekommen, obwohl es beim Zuschauen wirklich kinderleicht aussieht.

Bāozi, chinesisches Brot mit Gemüse oder Fleisch gefüllt, ist in der ganzen Stadt präsent. Es schmeckt überraschend gut und wird sowohl von Frauen als auch von Männern hergestellt.

Foto: Bianca Gusenbauer

Die riesigen Dämpfer, in denen sich die Bāozi befinden, schmücken viele Straßenecken und stellen nach anfänglicher Skepsis eine große Verlockung für mich dar. Herrlich flaumig und neutral schmeckend ist der Teig, und je nach Tagesverfassung kann zwischen unterschiedlich pikanten Füllungen gewählt werden.

Foto: Bianca Gusenbauer

Eine Straße weiter werden die Nudeln vom Nudelmeister, der aus dem Norden Chinas stammt, gehachelt. Mit einer souveränen Ernsthaftigkeit nimmt er meine Bestellung auf. Ohne Worte, versteht sich und mehr auf gut Glück - aber Teig bleibt Teig, egal in welcher Form er nun in meine Suppenschüssel kommt. Über mein Interesse an seiner Nudelkunst musste er aber dann doch zumindest lächeln.

Foto: Bianca Gusenbauer

Ohne Übertreibung werden die Nudeln in einen riesigen, etwa 40 Liter fassenden Topf geschnitten oder gehachelt, um anschließend mit dünn geschnittenem Fleisch und frischem Koriander serviert zu werden. Selbst vorbeizischende und hupende Autos können mich - am Straßenrand sitzend - beim Genießen der Suppe nicht hindern.

Foto: Bianca Gusenbauer

Eine kulinarische Skurrilität in Schanghai stellt für mich gesüßtes Brot mit getrocknetem Fleisch-Floss dar. Wie kommt man bloß auf diese Idee? Der präsente Zuckergeschmack des flauschigen Germbrotes, das mit Margarine beschmiert und trockenem Fleisch bestreut ist, kann mich zur Abwechslung mal nicht begeistern. Sollte ich Ihnen mit dieser Beschreibung den Appetit verdorben haben, dann möchte ich mich hiermit auch gleich entschuldigen.

Foto: Bianca Gusenbauer

Ganz gruselige Gerüchte kursieren auch über die Qualität des Öls bei den Straßenküchen, die vielleicht sogar von der Stadtregierung selbst in die Welt gesetzt wurden, da nach ihrem Geschmack die Straßenküchen bereits längst der Vergangenheit angehören sollten. Sie entsprächen nämlich nicht den Hygienestandards, so das Argument der Stadtväter.

Foto: Bianca Gusenbauer

Durch das Buch "Schanghais Straßenküchen" bin ich auf stinkenden Tofu aufmerksam geworden und mit offener Nase voraus durch die Straßen gelaufen, um endlich fündig zu werden. Unauffälliger als erwartet ist der Duft des stinkenden Tofus bei einer ohnehin konstant hohen Geruchskulisse. Dieser fermentierte Tofu stellt für mich tatsächlich keine kulinarische Herausforderung dar, sondern hat im Vergleich zum neutralen Geschmack des Tofus eine willkommene pikante Note.

Foto: Bianca Gusenbauer

Durch Zufall bin ich auf einen traditionellen Markt im Stadtteil der französischen Konzession gestoßen. Auf diesem Suchbild erkennt man gut die Dynamik, die hier von der Früh bis zum Abend herrscht. Für überraschend wenig Geld werden hier alle Grundnahrungsmittel auf zwei Stockwerken feil geboten.

Foto: Bianca Gusenbauer

Bei der Auswahl der Hühnerflügel für unsere chinesische Schnatterei gruselt es mich schon wesentlich mehr als beim stinkenden Tofu. Beim Bezahlen fühle ich mich außerdem noch über den Tisch gezogen. Kaum zu glauben, aber diese jämmerlichen Hühnerflügel sind teurer als in Österreich und alles Abknabberbare in China beliebter als mageres Schnittfleisch.

Foto: Bianca Gusenbauer

Auch die Kinder sind hier mit am Markt und warten geduldig - so lange, bis ihre Eltern die Ware verkauft haben.

Foto: Bianca Gusenbauer

Von meinen chinesischen Kochpartnern bekomme ich nach dem Einkauf im Gewusel ein "Okay" signalisiert: alles eingekauft, ab nach Hause zum Kochen! Mehr über meine diversen Kocherfahrungen in Schanghai inklusive Rezept gibt es im nächsten Bericht. (Bianca Gusenbauer, derStandard.at, 10.2.2014)

Weitere kulinarische Stationen meiner Reise sind in Kürze auf meinem Blog Gib Bianca Futter! und aktuell auf Facebook mitzuverfolgen.

Foto: Bianca Gusenbauer