derStandard.at: "Nein, wir lieben dieses Land und seine Leute nicht": Für diesen Slogan haben die jungen Grünen viel Schelte von der eigenen Partei bekommen. Sind die Grünen die eigentlichen Verlierer des Akademikerballs?
Thomas Hofer: Sie haben es geschafft, die Aufmerksamkeit weg vom ursprünglichen Anlass hin zur Frage zu lenken: Wie halten es die Grünen mit der Gewalt? Da ist viel schiefgegangen in der Kommunikation.
derStandard.at: Der grüne Bundesrat Efgani Dönmez hat in einem Interview gesagt, dass man als Verfechter der Meinungsfreiheit den Akademikerball "aushalten müsse".
Hofer: Natürlich muss man den Ball aushalten. Herr Dönmez delektiert sich aber natürlich auch an derartigen Geschichten. Er legt mit seiner Kritik an einer gewissen Doppelmoral aber den Finger schon in eine Wunde, wenn er davon spricht, dass islamisch-nationalistische Strömungen weniger kritisch beäugt werden als nationalistische Burschenschafter.
derStandard.at: Was lernt der Bürger daraus, dass die Grünen keine einheitliche Linie haben?
Hofer: Darauf gibt es zwei Antworten. Die sozial erwartete lautet, dass Meinungsvielfalt in einer Partei zulässig sein muss. Die Wahrheit ist natürlich, dass eine Partei nach außen hin so geschlossen wie möglich auftreten sollte. Die ÖVP schafft das aktuell gar nicht. Die SPÖ kriegt das derzeit besser hin, auch wenn es im Apparat rumort.
derStandard.at: Heinz-Christian Strache hat nach den Protesten die Auflösung der rot-grünen Koalition in Wien verlangt.
Hofer: Strache versucht, das Vorgehen der jungen Grünen zu nutzen. Das Thema Akademikerball wird jetzt abflauen. Aber mit dem "Fest der Freiheit", das im Mai rund um die EU-Wahl stattfindet, kommt aber auch auf ihn das nächste Problem zu.
derStandard.at: Verkauft die FPÖ den Ball gut?
Hofer: Nein. Die FPÖ kann den Ball aber weder verlegen noch absagen, weil sie sonst in der Öffentlichkeit dasteht, als würde sie klein beigeben. In Wahrheit ist der FPÖ das Thema peinlich. Der Akademikerball oder das "Fest der Freiheit" helfen der FPÖ wahlstrategisch nicht. Die Burschenschaften sind ein winziger Ausschnitt der österreichischen Bevölkerung. Mit ihnen gewinnt man keine Wahlen.
derStandard.at: Auch keine EU-Wahlen?
Hofer: Nein. Und ich glaube auch nicht, dass der Herr Kickl wahnsinnig erfreut ist darüber, dass in unmittelbarer Nähe zur Europawahl der nächste Großevent und möglicherweise die nächste Straßenschlacht droht. Er will den EU-Wahlkampf zu einer innenpolitischen Auseinandersetzung machen und so versuchen, die EU-Skeptiker zur Wahlurne zu bekommen. Dabei hilft ihm kein "Fest der Freiheit" und auch kein Akademikerball.
derStandard.at: Was sagen Sie zur Behauptung, dass Demonstrationen immer demjenigen nützen, gegen den protestiert wird?
Hofer: Der Akademikerball war aufgrund der Ausschreitungen ein willkommener Anlass, sich in die Opferrolle zu drängen. Damit erreicht die FPÖ aber keine neuen Zielgruppen, die Burschenschafter wählen ohnehin Blau. Neue Wähler holt die FPÖ mit Attacken auf die Regierung und EU-Zahlungen für sogenannte Pleitestaaten.
derStandard.at: Inwieweit beeinflusst der Ball die Politik in den Bundesländern?
Hofer: Das darf man nicht überschätzen, das war vor allem ein Wiener Thema. Solche Themen sind dann, wenn eben nichts nachkommt, auch schnell wieder weg aus der medialen Aufmerksamkeit. Insofern müssten die betroffenen Parteien Agenda-Cutting betreiben, also schauen, dass das Thema relativ rasch wieder verschwindet.
derStandard.at: Haben Sie eine Veränderung im politischen Umgang mit dem Ball bemerkt?
Hofer: In der medialen Rezeption hat es eine gewaltige Veränderung gegeben. Bis zur schwarz-blauen Regierungsbildung im Jahr 2000 war der Ball kaum ein Thema. Erst als das mediale Schlaglicht auf die Burschenschafter gelenkt wurde, weil die dann auch teilweise Ministerien geleitet haben und in der Regierung gesessen sind, ist er zu einem geworden. (Elisabeth Mittendorfer, Florian Vetter, derStandard.at, 11.2.2014)