Nicht von der Hand zu weisen: eine gewisse Diskrepanz zwischen dem Ambiente der Weinbar und der Ambition der Küchenchefs.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Knusprig, saftig, sogar zart ist der Schweinsbauch mit Spinat, Schwarzwurzeln und gekochtem Grieß. Nur die ordentlich affektierte Anrichtung wirkt in dieser Umgebung richtig deplatziert

Foto: Gerhard Wasserbauer

Ein schmaler Schlauch von einem Raum, hohe Bartische mit ebensolchen Stühlen, etliche an die Wand gepinnte Weinkisten als Deko und AKM-freies Nerventod-Geklimper aus den Lautsprechern: Der achte Bezirk hat eine neue Weinbar.

Das allein wäre nicht wirklich bemerkenswert. Die Weinauswahl fokussiert laut Betreiber Hans Bolena auf "eher unbekannte österreichische Winzer". Na dann. Die Herren Jurtschitsch, Weninger, F. X. Pichler oder Krutzler sollen schließlich etwas zu lachen haben, wenn sie hören, unter welchem Stichwort sie da subsumiert werden.

Ambitioniert gepreist

Aber immerhin: Der Hauswein stammt vom kaum bekannten Weingut Panholzer aus Großmeiselsdorf, ist mit 2,60 Euro das Achtel zwar sehr ambitioniert gepreist (ab Hof werden gerade einmal 2,30 Euro je Liter verrechnet, "wenn S' kane Altflaschen ned dabei haben, sand's 2,70" - O-Ton Panholzer), er kann aber etwas. Auch der Umstand, dass sich hier die eine oder andere gereifte Flasche aufreißen lässt (Schützner Stein 2000 von Prieler etwa oder der überaus zivil kalkulierte Grüne Veltliner Smaragd Rotes Tor 2008 von Hirtzberger, 48 Euro), macht Freude.

Was das Lokal aber wirklich hervorhebt, ist das Selbstverständnis als Osteria mit kleiner, täglich variierter Speisekarte - und Küchenchef Sascha Hoffmann, der die vergangenen Jahre in einigen der renommiertesten Küchen des Landes zugange war, von Steirereck über Floh bis Döllerer. Es gibt zwei Suppen, drei Haupt- und eine Nachspeise, ein paar gut ausgesuchte Käse und den wunderbaren Rohschinken von Tschürtz. Ah, und natürlich Beef Tartare - ohne Fleischaufstrich im Gepäck schafft es derzeit bekanntlich keine Speiskarte mehr an den Tisch.

Das ist dafür prononciert gewürzt und, lobenswert, vom Hochlandrind. Um die widerstandsfähigen Zottelkühe - in vielen Landstrichen die einzigen, die noch auf der Wiese anzutreffen sind - ist es aus gastronomischer Sicht ein bissl still geworden. Könnte damit zusammenhängen, dass ihr Fleisch aufgrund des knappen Fettgehalts spezieller Sorgfalt bei Reifung wie Zubereitung bedarf. Wer es, wie hier, roh und fein faschiert serviert, umschifft das auf nicht unelegante Art.

Teelöffelklein

Die klare, duftige und dichte Rindsuppe schmeckt ebenso tadellos wie die teelöffelkleinen, muskatwürzigen Griesnockerln. Erdäpfel-Lauch-Suppe mit ordentlich Speck erinnert fast an einen Eintopf, kurz bleibt der Löffel da tatsächlich stecken. Karamellisierte Krautfleckerln sind mit hausgemachten Nudeln gemacht, auch das Kraut überzeugt mit muskulöser Balance aus Süße wie Säure, Letztere stammt ganz offenbar von einem feinen, gereiften Essig.

Auch Fisch hat der Koch gut im Griff, knusprig gebratener Seesaibling gerät keineswegs trocken, die flaumigen, mit geschmortem Radicchio kombinierten Erdäpfelgnocchi machen sich gut dazu. Knusprig, saftig, sogar zart ist auch der Schweinsbauch mit Spinat, Schwarzwurzeln und gekochtem Grieß - nur die ordentlich affektierte Anrichtung (siehe Bild) wirkt in dieser Umgebung richtig deplatziert. Aber das gilt angesichts der Preise wohl als Sudern auf hohem Niveau. Viel wichtiger: In echte Musik investieren! (Severin Corti, Rondo, DER STANDARD, 14.2.2014)