Kiel - Zwei Dorschbestände entwickeln sich unabhängig voneinander in der Ostsee. Auch der Nachwuchs zweier für die Fischerei wichtiger Plattfischarten, Flunder und Scholle, lebt dort auf begrenztem Raum. Grund dafür ist die unregelmäßige Verteilung verschieden salzhaltiger Wasserschichten in dem Binnenmeer. Wie diese hydrographischen Bedingungen die Verbreitung von Fischeiern und das Wachstum wirtschaftlich bedeutender Bestände beeinflusst, beschreiben Forscher des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel und des Instituts für Aquatische Ressourcen (DTU Aqua) an der Technischen Universität Dänemark aktuell im Fachmagazin "Progress in Oceanography".
Höchst unterschiedliche Wasserqualität
Ihre enge, aber von starken Strömungen geprägte Verbindung zur Nordsee, die Vielzahl von Flussmündungen und ein mit Rücken, Becken und Rinnen gespickter Boden machen die Ostsee zu einem Binnenmeer mit sehr unterschiedlicher Wasserqualität. Dass diese morphologischen und hydrographischen Bedingungen auch die Fischbestände beeinflussen können, liegt nahe. Die Forscher untersuchten nun die Dichte von Dorsch-, Schollen- und Flunder-Eiern, welche die Position der Eier im Gefüge der verschiedenen salzhaltigen Schichten und damit auch ihre Verbreitung in der Ostsee bestimmt.
Dazu fingen die Meeresbiologen fortpflanzungsfähige Tiere und sammelten auf Forschungsreisen Keimzellen für die Fischeier. In Glaszylindern mit einer exakt kalibrierten Struktur aus verschiedenen Salzwasserschichten wurde anschließend die Dichte bestimmt sowie Durchmesser und Trockengewicht gemessen.
Eingeschränkter Eiertransport
Auf Basis dieser Daten berechneten die Forscher Verteilungswege der Eier und der jungen Fischlarven mit einem hydrodynamischen Modell. "Unser Computerprogramm simuliert die Richtung und Geschwindigkeit von Strömungen, die sich im Verlauf der Jahreszeiten stark ändert", erläutert der Ozeanograph Hans-Harald Hinrichsen. "Außerdem bildet es Temperatur, Salzgehalt und Sauerstoff in verschiedenen Tiefen für den gesamten Ostseeraum realistisch ab." So können die Forscher über mehrere Wochen hinweg für jeden beliebigen Tag ablesen, wie weit die Eier transportiert wurden und ob sie überlebt haben oder ungünstigen Bedingungen zum Opfer gefallen sind.
"Aufgrund ihrer unterschiedlichen Dichte verteilen sich die Eier und die ersten Larven-Stadien der verschiedenen Arten auf unterschiedliche 'Stockwerke' im Wasserkörper der Ostsee", fasst der Biologe Christoph Petereit die Ergebnisse zusammen. "Sie verbleiben aber alle in der westlichen Ostsee und in der Belt-See. Weiter östlich enthält das Wasser weniger Salz, so dass die Eier dort zu Boden sinken würden, wo sie nicht überleben könnten. Das bedeutet letztlich, dass sich die Bestände zumindest in dieser frühen Lebensphase nicht vermischen." Für den Dorsch haben genetische Analysen bereits belegt, dass es sich beim östlichen und beim westlichen Bestand um zwei getrennte Gruppen handelt. Die aktuelle Studie liefert nun eine Hypothese dafür, weshalb es zu keinem Austausch zwischen den Beständen kommt. (red, derStandard.at, 16.2.2014)