
An der Endstelle fährt der Stromabnehmer des Citybusses nach oben - und ladet Saft für die nächste Runde in die Batterien.
Wien - Peter Wiesinger ist Vater der Wiener Elektrobusse in der Wiener Innenstadt - unter seiner Leitung wurde das vollkommen neue Konzept entwickelt, bei dem E-Busse nicht nur in der Garage aufgeladen werden - oder als O-Bus entlang einer Oberleitung surren -, sondern einfach tagsüber an der Endstelle immer wieder zwischengeladen und in der Nacht wieder voll aufgeladen werden.
Zwölf Busse sind inzwischen im Einsatz - Ende Jänner hatten sie gemeinsam insgesamt 200.000 Kilometer im Fahrgastverkehr abgespult, und Wiesinger kann nun bilanzieren: "Das ist ein vollkommen neues System, das hat es vorher nicht gegeben - und heute kann ich sagen: Es ist linientauglich." Und er sagt das nicht ohne Stolz: "Das muss uns erst einmal eine andere Stadt nachmachen."
Oberleitung herübergeleitet
Das System ist komplex - und doch auch denkbar einfach: An den Endstellen der Citybusse wurden Oberleitungen von der nahegelegenen Straßenbahn herübergeleitet. Der Citybus kommt an, lässt die Passagiere aussteigen - und der Fahrer lässt den Stromabnehmer nach oben fahren.
Bisher einziger Zwischenfall: Am 7. Februar hatte ein Lenker beim Zwischenladen an der 3A-Endstelle einen Stromschlag erlitten, konnte aber nach kurzer Beobachtung im Spital wieder entlassen werden. Wie die Untersuchungen zeigten, war der Stromabnehmer dieses Busses defekt gewesen - laut Wiener Linien ein Anlass, über weitere Sicherheitsverbesserungen nachzudenken.
Ulf-Stromabnehmer
"Es ist ein Ulf-Stromabnehmer, den Siemens eingebaut hat", verrät Wiesinger im Standard-Gespräch. Per Knopfdruck fährt er in die Höhe und ladet die Batterien des Busses auf. So einfach das klingt - so viele Hindernisse mussten aber auch überwunden werden. Da gab es etwa die Frage: Was, wenn extreme Minustemperaturen herrschen? Wie kommen die Citybusse dann in Schwung? Die Lösung war eine Heizung für die Batterien. Wiesinger: "Jetzt sind wir in der Lage, auch bei minus 20, 30 Grad auszufahren.
Stromstoß von der U-Bahn
Ein weiteres unerwartetes Problem tauchte im Probebetrieb auf - denn das nächtliche Aufladen der Busse findet in der Busgarage in Ottakring statt - direkt neben der Linie U3. Welchen Einfluss dies auf die Citybusse hat, war eine wörtlich spannende Frage. Denn im Normalbetrieb werden die Batterien unter einer Spannung von rund 600 Volt aufgeladen. Allerdings: Wenn sich nebenan eine U-Bahn-Garnitur einbremst, speist sie damit Strom ins Netz ein. Und ein V-Wagen der U-Bahn jagt dabei gut und gerne 1000 Volt in die Kabel. "Da musste ich erst den Umformer entsprechend umprogrammieren, damit das keinen Schaden anrichtet", lächelt Wiesinger.
Ein kleiner Ruck schüttelt die Fahrgäste durch - beim Anfahren bringt das Elektrofahrzeug einfach die volle Leistung direkt auf die Straße. Recep Kandönmez ist einer der Fahrer, die mit dem neuen Elektrobus unterwegs - und durchaus zufrieden sind. Obgleich er anmerkt: Die Körpergröße der Fahrer sei ein Thema. Große Riegel werden vom Citybus eher nicht so begeistert sein. Denn da ist jeder Zentimeter eingeteilt.
Batteriepack halbiert
"Trotz der Batterien können wir genauso viele Passagiere befördern wie in den alten Citybussen", erläutert Wiesinger. Aber nur, weil wegen des Zwischenladens an den Endstellen der Batteriepack halbiert werden konnte. Das schafft Platz. Etwa für eine Rampe, die für Rollstuhlfahrer ausgeklappt werden kann.
Gleichzeitig weiß Recep Kandönmez inzwischen, dass er mit einer kleinen Zelebrität unterwegs ist: "Immer wieder kommen Touristen und wollen genau mit diesem Elektrobus fahren", erzählt er im Standard-Gespräch. Nicht nur dass etwa auf der Linie 2A die meisten Attraktionen der Wiener City im Vorbeifahren besichtigt werden können - von der Staatsoper über die Albertina bis hin zum Stephansdom. Der Bus selbst ist die Attraktion: "Kürzlich kam ein Koreaner zu mir und sagte: Endlich hab ich den E-Bus gefunden - ich hab ihn den ganzen Tag gesucht."
Zwei Jahre Batterie-Garantie
Die weiteren Fragen müssen nun im weiteren Linienbetrieb geklärt werden - etwa jene nach der Haltbarkeit der Lithium-Ferrit-Batterien. Die Garantie ist auf zwei Jahre angesetzt - Wiesinger hofft, dass die Speichermodule vier, wenn nicht sogar fünf Jahre halten werden. Bei entsprechender Handhabung. So wird beispielsweise darauf geachtet, dass der Ladezustand auch während des Linienbetriebes nie unter 40 Prozent sinkt - denn das würde die Lebensdauer deutlich reduzieren.
Gleichzeitig ist diese Innovation bereits derart erfolgreich, dass bei den Wiener Linien der nächste Schritt ins Auge gefasst wird: "Der Zwölf-Meter-Batteriebus ist unser nächstes Projekt", verrät Wiesinger im Standard-Gespräch. Einen Prototyp dafür gebe es bereits - allerdings noch ohne Zwischenaufladung. Genau dafür müsste das System analog zum Citybus noch adaptiert werden.
Zwölf-Meter-Busse ab 2016
Dabei sind gerade erst derartige Busse im herkömmlichen Dieselsystem bestellt worden. "Aber ganz bewusst nur die Hälfte des tatsächlichen Bedarfes", betont Wiesinger, "um auf die Entwicklung der Technologie reagieren zu können." Wiesinger ist angesichts der Erfahrungen mit dem Citybus jedenfalls überzeugt: "2016 könnte der Linienbetrieb mit Zwölf-Meter-Bussen starten." (Roman David-Freihsl, DER STANDARD, 13.2.2014)