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Die Überwachungsmaßnahmen der US-Regierung haben auch vor Österreich nicht haltgemacht. Unklar ist, wie eng heimische Behörden kooperiert haben.

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Zwei große Themenkomplexe beschäftigen nicht nur die Staatsanwaltschaft: In welchem Ausmaß wurde die österreichische Bevölkerung durch die NSA überwacht? Und: Wie eng kooperierten österreichische Behörden mit dem US-Militärgeheimdienst? Umgelegt auf das Strafgesetzbuch klingen die durch Edward Snowdens Enthüllungen hervorgerufenen Verdachtsmomente folgendermaßen: "Geheimer Nachrichtendienst zum Nachteil Österreichs", "militärischer Nachrichtendienst für einen fremden Staat" und "verbotene Unterstützung von Parteien bewaffneter Konflikte". So lauten zumindest die Anklagepunkte, aufgrund derer die Staatsanwaltschaft Wien momentan gegen unbekannt ermittelt.

Gratwanderung für BVT

Ein Staatsanwalt bearbeitet den Fall, unterstützt wird er vom Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) unter der Ägide des Innenministeriums. Das BVT vollführt eine Gratwanderung: Einerseits muss es zur Terrorismusbekämpfung mit anderen Geheimdiensten zusammenarbeiten, gleichzeitig ist es auch für Spionageabwehr gegen zivile Ziele zuständig.

"Partner und Täter"

"Das Leben in dieser Welt ist von Geben und Nehmen gekennzeichnet", sagt der ehemalige BVT-Direktor Gert Polli. Sein früheres Amt vergleicht er mit einem "Spagat zwischen Abwehr und Zusammenarbeit, weil Partner und Täter meist dieselben sind". Kritiker wie der grüne Nationalratsabgeordnete Peter Pilz monieren nun, dass das BVT nicht über ausreichend Ressourcen verfüge, um Österreich effektiv gegen die Überwachung durch die NSA oder beispielsweise britische oder deutsche Geheimdienste zu schützen.

Weiters, so Pilz, wisse man seit Monaten, dass an mindestens drei Wiener Standorten der NSA sogenannte "Special Collective Services" (SCS) operieren, die wichtige Daten absaugen. Dabei handelt es sich um weiße Boxen, die auch an der berüchtigten "NSA-Villa" in Pötzleinsdorf in Wien montiert sind. Laut Pilz würde der dortige SCS Telefonanrufe nach Deutschland und zivile Luftverkehrsdaten über den Sendeturm Exelberg abfangen, während das BVT nichts dagegen unternehme.

Auch FPÖ-Nationalrat Harald Vilimsky spricht von einer "unglaublichen Nicht-Reaktion". BVT-Sprecher Karlheinz Grundböck nennt diese Anschuldigungen "unrichtig" - was den Vorwurf der Untätigkeit betreffe. Zu den angeblichen Aktivitäten der NSA könne er in Hinblick auf das laufende Ermittlungsverfahren keine Angaben machen. Jedenfalls habe man die Sicherheitsstrategie aus Anlass der Snowden-Leaks adaptiert.

Mysteriöse Gerüchte um Heeresnachrichtendienst

Das BVT ist jedoch nicht der einzige österreichische Dienst, den die NSA-Affäre beschäftigt. Ein Großteil der Vorwürfe bezieht sich auf das Heeresnachrichten- und das Abwehramt. Es könnte dabei durchaus vorkommen, dass Bedienstete der zwei Heeresnachrichtendienste ins Visier des Staatsanwalts geraten. So hat Pilz den starken Verdacht, dass Verteidigungsminister Klug mit dem militärischen Geheimdienst NSA kooperiere und sich daher des Verfassungsbruchs schuldig gemacht habe.

Auch Vilimsky spricht von der Vermutung, dass Kooperationsabkommen existierten. Tatsächlich ranken sich mysteriöse Gerüchte um Abwehramt und Heeresnachrichtendienst: So sollen beispielsweise am Horchposten Königswarte immer wieder Autos mit deutschem Kennzeichen parken, oftmals aus Landkreisen, in denen US-Militärbasen beheimatet sind. Zusätzlich wird Österreich in NSA-Dokumenten als "Tier-B"-Staat bezeichnet, also als Kooperationspartner auf Augenhöhe mit Nato-Mitgliedern.

"Veritable Streiterei"

Für parlamentarische Kontrolle sollte im November der Ständige Unterausschuss für Landesverteidigung tagen, in dem Minister Klug zu angeblichen "Geheimverträgen" zwischen Bundesheer und NSA sowie US-Auslandsgeheimdienst CIA Rede und Antwort stehen sollte. Doch Klug habe sich selbst in diesem geheimen Nationalratsausschuss, dessen Mitglieder Verschwiegenheit schwören müssen, entschlagen. Ein Vorgang, der dem Vernehmen nach sogar bei Abgeordneten der Regierungsparteien für Unmut sorgt, da etwa deutsche Bundestagsmitglieder in einem ähnlichen Ausschuss ausführlich über Verträge zwischen Bundesnachrichtendienst und NSA informiert wurden. Ausschussmitglied Vilimsky erzählt von einer "veritablen Streiterei, da Klug nicht einmal sagte, warum er nichts sagen kann".

Mittlerweile soll im Büro von Nationalratspräsidentin Prammer ein überparteilicher Brief an Innen- und Verteidigungsministerium aufgesetzt worden sein, in dem eine abweichende Interpretation des Entschlagungsrechts formuliert wurde. ÖVP-Wehrsprecher Bernd Schönegger zeigt sich in Hinblick auf die nächste Sitzung "zuversichtlich, dass der Minister jetzt die Sicherheit hat". Für Schönegger seien die Sitzungen "aus gutem Grund nichtöffentlich".

OPEC wurde abgehört

Offiziell heißt es aus dem Verteidigungsministerium lediglich, dass man ausschließlich bei Auslandseinsätzen mit anderen Geheimdiensten zusammenarbeite. Inoffiziell wurde schon zu den Zeiten des Kalten Krieges eng kooperiert. Auch heute ist Wien für Geheimdienste als Sitz internationaler Organisationen interessant. Dass das hiesige Büro der Organisation erdölexportierender Länder (OPEC) sowohl von NSA als auch von dem britischen Geheimdienst GCHQ abgehört wurde, beweisen Snowdens Dokumente eindeutig.

US-Botschafterin: Nur "Schluckauf" für Diplomatie

Für die neue US-Botschafterin Alexa Wesner sind die diplomatischen Turbulenzen nicht mehr als ein "Schluckauf". In einem Interview bezeichnete sie die Zusammenarbeit mit österreichischen Behörden als "wunderbar". So weit möchte Innenministeriumssprecher Grundböck nicht gehen: Er nennt die Kooperation "sachlich und korrekt". In welchem Zeitrahmen erste Ergebnisse der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zu erwarten sind, ist indes unklar. Der Ständige Unterausschuss für Landesverteidigung wird jedenfalls in wenigen Wochen erneut zusammentreffen, Minister Klug ist traditionellerweise anwesend. Welche Themen dann auf der Agenda stehen, unterliegt allerdings der Geheimhaltung.

Kein EU-Asyl für Snowden

Im Innenausschuss des EU-Parlaments fand die Forderung nach Asyl für Snowden Mittwochabend keine Mehrheit. Jan Philipp Albrecht von den Grünen kritisierte, dass Snowden im Stich gelassen werde. CDU-Abgeordneter Axel Voss erklärte die Ablehnung formal: Die EU könne nicht über Asyl entscheiden, dies sei Ländersache. Das EU-Parlament fordert aber die Kündigung mehrerer Abkommen zum Datenaustausch mit den USA. Die sogenannte "Safe Harbor"-Vereinbarung und das Swift-Abkommen sollten laut Innenausschuss aufgehoben werden. (Fabian Schmid, DER STANDARD, 13.2.2014)