Es ist der Stoff, aus dem Psychothriller geschrieben sind: Patienten im Wachkoma sind scheinbar ohne Bewusstsein, können mit ihrer Umwelt nicht in Kontakt treten. Vieles deutet aber darauf hin, dass einige Patienten mehr wahrnehmen als bisher vermutet. Anders als beim künstlichen Koma, in das Michael Schumacher nach seinem Skiunfall versetzt wurde, wird ein Wachkoma nicht durch Medikamente herbeigeführt, sondern ist Folge einer Hirnverletzung. Neurophysiologische Studien zeigen, dass ein Teil der Betroffenen Aufgaben wahrnimmt, versteht und versucht, diese zu erfüllen.

"Rest-Bewusstsein" vorhanden

Bei rund einem Viertel der Betroffenen war ein Schädel-Hirn-Trauma, wie es Schumacher erlitten hat, der Auslöser. Tatsächlich liegt bei etwa 40 Prozent jedoch eine Fehldiagnose vor, sagt Andreas Berger, Neurologe am Therapiezentrum Burgau: "Diese Patienten haben entweder bereits unbemerkt wieder ein Minimalbewusstsein oder gar ein volles Bewusstsein erlangt, sind jedoch vollständig gelähmt. Der zweite Fall kommt nur sehr selten vor, wir sprechen vom Locked-In-Syndrom."

Mithilfe neuer elektrophysiologischer Verfahren können Experten inzwischen leichter als früher feststellen, ob das Nervensystem eines komatösen Patienten Reize verarbeiten kann oder nicht. Dazu gehören sogenannte ereigniskorrelierte Potentiale (ERP), also Schwankungen im Elektroenzephalogramm (EEG), die parallel zu kognitiven Prozessen oder Sinneswahrnehmungen stattfinden. Ebenso hilfreich erwies sich die Methode "Motor Imagery", bei der Betroffene aufgefordert werden, sich Bewegungen vorzustellen ohne diese durchzuführen. "Bei zehn bis zwanzig Prozent der Wachkoma-Patienten finden wir deutliche Hinweise auf ein verborgenes Bewusstsein", sagt Bender.

Eine ERP-Analyse hilft Ärzten auch dabei, Patienten zu identifizieren, mit denen später eine Kommunikation möglich sein könnte. Eine aktuelle Studie konnte nachweisen, dass diese Menschen mit starken Schwankungen ihrer Gehirnströme auf Nonsens-Sätze reagieren. Darüber hinaus gibt es neue Ansätze, über sogenannte Brain-Computer-Interfaces (BCI) einen Kontakt zu Betroffenen herzustellen. Neurophysiologen gelang es, einen Patienten im Zustand des Minimalbewusstseins Ja-Nein-Fragen beantworten zu lassen. "Leider kann derzeit nur ein kleiner Teil der Patienten in Spezialzentren entsprechend untersucht werden", sagt Bender. Engere Kooperationen zwischen Universitäts- und Rehabilitationskliniken wären ihm zufolge wünschenswert. (red, derStandard.at, 13.2.2014)