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Enrico Letta am Freitagmorgen beim Verlassen seines Hauses.

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Am Votrag machte er den Weg für Matteo Renzi frei.

 

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Matteo Renzi trifft im PD-Hauptquartier ein.

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Matteo Renzi ist am Ziel seiner Wünsche. Der Bürgermeister von Florenz und Parteichef der Sozialdemokraten wird mit 39 Jahren jüngster Regierungschef in der EU. Zur entscheidenden Sitzung des Parteivorstands erschien Premier Enrico Letta nicht und erlöste die Sozialdemokraten damit vom Albtraum, die beiden prominentesten Parteivertreter könnten sich vor laufenden Kameras einen peinlichen Showdown liefern.

Vor dem Sitz des Partito Democratico (PD) in Roms Innenstadt herrschte am Donnerstag Belagerungszustand. Die Polizei hatte die Büroräumlichkeiten hermetisch abgeriegelt und lautstarke Demonstranten abgedrängt; die meisten Parteimitglieder ließen die Fragen der drängenden Medienvertreter unbeantwortet.

Parteichef setzt sich durch

So endete der wochenlange, zuletzt eskalierende Machtkampf zwischen Premier Enrico Letta und Parteichef Matteo Renzi erwartungsgemäß mit einem Sieg des jungen Herausforderers. Der 47-jährige Letta, der am Abend zuvor seinem Parteichef noch die Stirn geboten hatte, zog es vor, erst gar nicht in den Ring zu steigen und machte damit den Weg für seinen ungestümen Konkurrenten frei - eine versöhnliche Geste, die sein Gegenspieler mit dem Verzicht auf polemische Äußerungen gegen die Regierung erwiderte.

Der PD-Parteichef erklärte zum Auftakt der Vorstandssitzung, es gehe nicht darum, der Regierung Letta den Prozess zu machen, sondern vielmehr darum, ein neues Kapitel in der Geschichte des Landes aufzuschlagen. Sofortige Neuwahlen seien nicht möglich: vorher müsse das Parlament ein neues Wahlrecht beschließen. Der Senat müsse außerdem möglichst rasch in eine Regionenkammer umgewandelt werden.

Er sei sich bewusst, dass sein Weg schwierig sei, so Renzi weiter. "Meine Entscheidung ist äußerst risikoreich. Aber wir können nicht zuwarten, bis das Ansehen unserer Institutionen in den Keller sinkt. Wir nehmen den Gegenwind in Kauf, weil wir rasche Veränderung wünschen und jeder Tag des Zuwartens schädlich ist. Wir wollen durch radikale Veränderungen den Sumpf trockenlegen, in dem sich Italien seit Jahren befindet", erklärte Renzi. Ihm sei oft "grenzenloser Ehrgeiz" vorgeworfen worden - das wolle er auch gar nicht dementieren, sagte der Parteichef: Er habe den Ehrgeiz, dieses Land endlich grundlegend zu verändern, schloss Renzi seine Ausführungen.

Abstimmung im Parteivorstand

Auf Details des Programms ging er nicht ein. Hinter den Kulissen wurde bereits über die Ministerriege spekuliert: Als zukünftige Wirtschaftsministerin wurde die in London lehrende Ökonomin Lucrezia Reichlin genannt, als Industrieminister der bekannte Unternehmer Andrea Guerra. Auch der ehemalige OECD-Chefökonom Piercarlo Padoan wurde als mögliches Kabinettsmitglied gehandelt.

Letta wollte mit der Ankündigung seines Rücktritts die Abstimmung im Parteivorstand abwarten - über dessen Ausgang allerdings nie Zweifel bestanden: Renzis Kür wurde mit 136 zu 16 Stimmen gutgeheißen. Der nach nur zehn Monaten scheidende Regierungschef wird Freitagmittag nach einer letzten Sitzung des Ministerrats bei Staatspräsident Giorgio Napolitani sein Amt zurücklegen. Die Sozialdemokraten vermeiden so, dem eigenen Premier im Parlament das Misstrauen aussprechen zu müssen. Doch gerade darauf bestehen Silvio Berlusconis Forza Italia und Beppe Grillos Fünf-Sterne-Bewegung: Der PD müsse erklären, warum er den eigenen Premier stürze, forderte FI-Fraktionschef Renato Brunetta genüsslich.

Vorerst gesicherte Mehrheit

Angelino Alfanos Mitte-rechts-Partei Nuovo Centrodestra und Mario Montis Unione Civica erklärten ihre Bereitschaft, eine Koalition mit Renzi einzugehen. Alfanos Partei stellte bisher fünf Minister, deren Zahl sich reduzieren wird, weil Renzi maximal zwölf Minister will. Während Forza Italia von einem "Handstreich" sprach, signalisierte die rechte Lega Nord Gesprächsbereitschaft.

Renzi hofft vor allem im Senat auf die Zustimmung mehrerer Parlamentarier von der Fünf-Sterne-Bewegung und der linksalternativen Liste. Im Senat verfügt seine Koalition nämlich nur über eine knappe Mehrheit von sieben Stimmen. (Gerhard Mumelter, DER STANDARD, 14.2.2014)