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Am 16. Februar 1984 fuhr Johnson in Sarajevo zum Sieg in der Abfahrt. Im März 2001 stürzte er in Big Mountain schwer.

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Im Dezember 2002 präsentierte Johnson seine Goldene aus Sarajevo.

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Sotschi - Eines der letzten Bilder, die es von Bill Johnson gibt, zeigt einen Mann, wie sich kein Mann sehen will. Johnson sitzt in einem Rollstuhl mit sechs Rädern. Das linke Auge ist geschlossen, das rechte beinahe. In einer Tasche an der linken Armlehne stecken ein Trinkbecher und Zigaretten, vor ihm auf dem Tisch zwei Aschenbecher. Das Bild ist beinahe drei Jahre alt, doch geändert hat sich wenig. Das ist traurig aber auch erstaunlich.

Am 16. Februar 1984 fuhr Johnson, ein 24 Jahre altes Großmaul aus den USA, ein "Nasenbohrer", wie ihn "Kaiser" Franz Klammer nannte, in Sarajevo allen davon und avancierte zum Abfahrts-Olympiasieger und das mit Ansage. Danach ging es steil bergab. Heute lebt Johnson in einem Pflegeheim in Gresham bei Portland im US-Bundesstaat Oregon. Bingo ist um drei, Abendessen um sechs. Er lebt, obwohl er im Juli vergangenen Jahres mit seinem Leben abgeschlossen hat: "Lasst mich in Ruhe sterben."

Die Karriere von Johnson begann ungewöhnlich. Mit 17 stand der Kalifornier wegen Autodiebstahls vor Gericht, der Richter stellte ihn vor die Wahl: Ski-Internat oder Knast. Nur sechs Jahre später fuhr er im Weltcup mit, ging allen auf die Nerven mit seiner überheblichen Art. Nach Sarajavo stürzte er sportlich ab. Er machte sich unbeliebt im Team, für Olympia 1988 qualifizierte er sich nicht.

Richtig aus der Kurve flog Johnson 1992, als sein jüngster Sohn, 17 Monate alt, im Whirlpool eines Freundes ertrank. Sieben Jahre später hatte ihn seine Frau Debbie mit den zwei anderen Söhnen verlassen, Johnson war pleite, lebte in einem Wohnwagen, war ziellos, Alkohol und Drogen waren im Spiel. Dann kam ihm eine Idee - und der verhängnisvolle 22. März 2001, als er in Big Mountain/US-Bundesstaat Montana in einem Trainingslauf zu den US-Meisterschaften stürzte.

Um Debbie zurückzugewinnen, um seinem Leben wieder einen Sinn zu geben, hatte sich Johnson "ski to die" (fahre Ski, um zu sterben) auf den Unterarm tätowieren lassen und beschlossen, sich für Olympia 2002 in Salt Lake City zu qualifizieren. Als 41-Jähriger. Nach dem Sturz in Big Mountain und einer Notoperation lag er drei Wochen lang im Koma. Er überlebte. Die linke Gehirnhälfte ist seitdem geschädigt, die Beweglichkeit stark eingeschränkt.

Johnson kämpfte sich durch Reha-Maßnahmen, fuhr sogar wieder Ski, 2002 durfte er das Feuer in Salt Lake City tragen, ehe dann Wahrnehmung, Erinnerungsvermögen und Urteilsvermögen sowie die Mobilität auch der rechten Körperhälfte nachließen. Dann, 2010, erlitt Johnson einen massiven Schlaganfall. Er wurde nach Gresham verlegt, in die Nähe seiner Eltern. Er kann sich kaum bewegen. Er kann auch nicht mehr sprechen.

Nach einer Infektion im vergangenen Juni verfügte Johnson: keine lebenserhaltenden Maßnahmen mehr! Seitdem wartet er auf den Tod - aber der Tod lässt ihn warten. Und das Erstaunliche ist: Seitdem, behauptet seine Mutter, "blüht er sogar auf". Einer kleinen Zeitung aus Montana hat sie das erzählt, und auch, dass ihr Sohn sogar die Skirennen in Sotschi im Fernsehen anschaut. "Er würde das nie verpassen", versichert sie.

Wie viel Johnson davon noch mitbekommt, ist eine andere Frage. Die Mutter versichert, es gehe im gut, Bill sei optimistisch, er habe Spaß, sei dankbar und in "good spirits". (sid, 14.2.2014)