Freeride-Profi Eva Walkner zeigt, wo es im Montafon hingehen soll: für immer mehr Amateure von der Piste in den Tiefschnee.

Impressionen abseits der Piste zeigt diese Ansichtssache.

Foto: thomas rottenberg

Manfred Sprung steht die Freude ins Gesicht geschrieben. Freude, die mehr als eine Stufe über der professionellen Fröhlichkeit liegt, mit der Skilehrer ihre Gäste normalerweise begleiten. Doch wie oft kommt es schon vor, dass ein Bergführer einen Gast hat, der ihm alpinistisch auf Augenhöhe begegnet und ihm skifahrerisch das Wasser reichen kann?

Der Gast ist eine Gästin, sie heißt Eva Walkner und ist Freeride-Profi. 2012 schrammte die 34-Jährige nur wenige Punkte am Weltmeistertitel der World Freeride Tour (ein seit 2008 existierender Weltcup für Tiefschneefahrer) vorbei.

2013 riss ihr beim ersten Rennen das Kreuzband. In der laufenden Saison pausiert sie. Und: "2015 will ich den Titel", sagt sie. Doch "pausieren" ist für einen Profi wie Walkner relativ: Fotoshooting jagt Fotoshooting, Einladung Einladung. Im Frühjahr wird sie einen Monat lang in Alaska filmen - aber schon in den kommenden Tagen sollen hier in Vorarlberg ein paar schöne Bilder vom Freeriden entstehen.

Rinnen im Face-Scan

Manfred Sprung hat dabei die besondere Aufgabe, "die Eva" zu begleiten. Ihr jene besonderen Stellen auf den Hängen von Gaschurn gleich neben den Pisten des Skigebiets Silvretta/Montafon zu zeigen, die sie noch nicht kennt.

Auch das Panorama und die Charakteristik des Montafons sollten gut zur Geltung kommen, dann wären alle zufrieden: Sponsoren, Fotografen, Kameraleute und Touristiker. Denn es gilt ein Publikum anzufixen, das diese Bilder ehrfürchtig staunend betrachtet, um es "der Eva" gleichtun zu wollen - ohne wahrscheinlich jemals so fahren zu können wie sie. Oder auch nur ihre Sprache zu verstehen.

Um "Sweetspots"- unbekannte schöne Stellen, Rinnen und Hänge - zu finden, "scoutet" - sucht - die Skifahrerin tagelang. Sie muss erst das "Face" - den Hang - "scannen", um die "Line" - die Route - im Kopf zu "tracken", also eine Art Gedächtnisskizze anfertigen.

"Auch wenn man vom Gegenhang aus eine Einstiegstelle entdeckt hat, muss man diese erst einmal wieder finden - und es dann ohne Zögern durchziehen. Das gilt insbesondere auch für Sprünge über Felsen, bei denen man sich oder andere nicht gefährden darf und sich nicht verletzen will", erklärt Walkner.

Dem Berg sind Fehler egal

Mit dem, was viele Freeride-Amateure tun - einfach in den Hang reinfahren und dann schauen, was passiert - hat das rein gar nichts zu tun. Walkner weiß aber auch: Dem Berg und vielmehr der Lawine ist es egal, ob der Experte oder der Dilettant dabei einen Fehler macht.

Denn so spielerisch-leicht Walkners Fahrten wirken: Sie sind Schwerarbeit. Es mag lässig wirken, wie die Frau schwere- und mühelos vor pittoresken Panoramen durch stiebenden Pulverschnee schneidet. Doch der Weg der größtmöglichen Sicherheit zum perfekten Bild ist immer ein anstrengender.

Auch aus diesem Grund ist Bergführer Sprung froh darüber, einen Tag mit Eva Walkner verbringen zu können. Die Frau wird von der Zielgruppe der Freerider überall erkannt und bestaunt: Am Lift, auf der Piste und auf dem Weg ins Gelände.

Der pädagogische Effekt auf Amateure, glaubt Sprung, sei also gegeben, wenn Anfänger vor Ort sehen, wie akribisch ein Profi plant, was sie selbst für ein harmloses Spiel hielten. Denn die Skilehrer haben mittlerweile abseits der gesicherten Pisten viel zu tun. Sie leben von jenen, die vernünftig sind und sich zeigen lassen, was wo wie geht. Und vor allem: was nicht geht.

Nachwuchs hinterm Arlberg

Auch wenn das Gros der rapide wachsenden Klientel der Hobbytiefschneesucher derzeit noch am Arlberg hängenbleibt und ebendort das Hinterland verspurt, können im Montafon derlei pädagogische Maßnahmen für den Nachwuchs nicht schaden.

Auf den gesicherten Pisten gibt sich die Region familienfreundlich, ohne Klimbim und Effekthascherei. Das grandiose alpine Umland umfasst 140 "zivilisierte" Pistenkilometer im Gebiet Silvretta/Montafon, im gesamten Montafon sind es 220. Aber immer zum Greifen nah bleiben eben die unberührt-unverspurten Hänge hinter Gaschurn - eigentlich ein einziger "Sweetspot".

Die Region scheint sich gerade erst einen Namen zu machen in der Welt derer, die gern fahren würden wie "die Eva". (Thomas Rottenberg, DER STANDARD, 15.2.2014)