
Jan Thümer spielt den Valentin - manchmal selbst und manchmal mit einer "Kollegen-Puppe".
Graz - Ein Hof von Kärntner Slowenen im Jaunfeld im Zweiten Weltkrieg. Ein altes Paar, das Söhne in einem Krieg verliert, der nicht der ihre ist. Andere Kinder schließen sich dem Kampf der Partisanen an. Eine Tochter bekommt ein uneheliches Kind von einem Deutschen - und der wird Dichter. So weit, so bekannt. Stoff ohne Ende für einen berührenden Abend.
Der verstorbene Dimiter Gotscheff zeigte das 2011 bei der Uraufführung von Peter Handkes Immer noch Sturm in Salzburg vor. Nun arbeitete sich der deutsche Regisseur Michael Simon an dem Stück, das über weite Strecken mit dem Schicksal der Vorfahren Handkes verflochten ist, am Grazer Schauspielhaus ab.
Bei der Premiere am Donnerstag sah man gute Schauspieler, aber ein brüchiges Regiekonzept, das den über dreistündigen Abend in ein Mosaik verwandelt, in dem wenig zusammenpasst.
In der ersten halben Stunde verschießt Simon, der immerhin in seiner Zweitfunktion als Bühnenbildner einige schöne Bilder entwirft, sein Pulver. Die Familie wird auf einem Berg von Küchentischen und anderem abgewohnten Interieur des Hofes mit Akkordeons und von echten Musikern unterstützt vorgestellt. Später setzt man den in den Krieg ziehenden Brüdern der Mutter (Seyneb Saleh) überdimensionierte Puppenköpfe auf. Doch irgendwann kippen diese Verfremdungseffekte in eine Distanz, die den Text entseelt. Selbst die Großeltern, slowenischsprachige Statisten, werden wie Puppen von anderen Schauspielern bewegt, müssen sich stumm führen lassen. Das hat zumindest für die Zuseher einen fahlen Beigeschmack.
Deutsche und slowenische Wörter werden plakativ auf Wände gepinselt. "Nasa Zgodovina" (Unsere Geschichte), steht auf der Wand, vor der man Menschen ihrer Sprache beraubt.
Als einäugiger Gregor, der Partisan und später Menschenverachter wird, gewinnt Kaspar Locher im Laufe des Abends an Intensität - ebenso Birgit Stöger als seine Schwester Ursula, die "Schneeige", und Jan Thümer als Weiberer Valentin. Das ist zwischen mit zu viel Pathos inszenierten Sätzen und musikalischen Aufmärschen nicht leicht.
Am schwersten hat es Christoph Rothenbuchner, als "Ich" durch sein Kostüm durchzuspielen, ohne skurril anzumuten. Mit seiner blonden Langhaarfrisur und der Brille (Kostüme: Denise Heschl) hüpft er einher wie eine üble Handke-Parodie, die sich abseits des Villacher Faschings mit dem Verkauf von Gebrauchtwagen durchs Leben schlägt.
Schade um den Text und um einen wichtigen Teil unserer Geschichte. (Colette M. Schmidt, DER STANDARD, 15.2.2014)