Zürich - Düngemittel steigern zwar kurzzeitig den Ertrag, schwächen aber langfristig den stabilisierenden Effekt der Artenvielfalt auf Ökosysteme. Ein internationales Forscherteam um Yann Hautier vom Institut für Evolutionsbiologie und Umweltwissenschaften der Universität Zürich hat dazu erstmals umfassende Daten von natürlichen Standorten auf allen fünf Kontinenten erhoben. Ihre Ergebnisse veröffentlichen die Wissenschafter aktuell im Fachjournal "Nature".

Dünger wirkt auf Ökosysteme langfristig destabilisierend, ob bewusst verwendet oder unabsichtlich als Nebenprodukt aus Industrie und Landwirtschaft eingebracht. Die aktuelle Studie ist das erste umfangreiche Experiment, das natürliche Ökosysteme auf allen fünf Kontinenten einbezieht. Bisherige Experimente wurden hauptsächlich in künstlichen Systemen im Gewächshaus oder Versuchsgarten durchgeführt.

Artenvielfalt führt zu "Portfolio-Effekt"

"Unsere Resultate sind den Ergebnissen aus Studien in künstlichen Systemen ähnlich. Das weist daraufhin, dass sich anhand künstlicher Systeme die Entwicklung von natürlichen Wiesen und Weiden prognostizieren lässt", erläutert Studienleiter Yann Hautier.

Die Forscher fanden heraus, dass artenreiche Ökosysteme viel weniger stark auf sich verändernde Umweltbedingungen reagieren als artenarme – und damit langfristig stabiler bleiben. Verantwortlich dafür ist das sogenannte asynchrone Wachstum der Pflanzen: Wächst unter gewissen Bedingungen eine Art weniger gut, kompensiert eine andere Art den Verlust mit besserem Wachstum. Das ist vergleichbar mit dem "Portfolio-Effekt", der aus der Wirtschaft bekannt ist: Verteilt man seine Investitionen auf mehrere Anlagen, wird die Reaktion auf die Bewegungen in der Gesamtwirtschaft ausgeglichener erfolgen, als wenn man nur auf wenige Anlagen setzt.

Dünger "synchronisiert" Arten

Gleichzeitig zeigt die Studie, dass sich die Vielfalt und Stabilität in Wiesen und Weiden verringert, wenn Dünger zugegeben wird. Düngemittel werden eingesetzt, um die Produktivität von Nahrungs- und Futtermitteln zu erhöhen. Sie gelangen aber auch unabsichtlich in den Stoffkreislauf, da Stickstoff durch die Landwirtschaft, Industrie und die Verbrennung von fossilen Brennstoffen in die Atmosphäre gelangt und über Niederschläge Wiesen und Weiden erreicht.

Dort verändern sich dadurch das Wachstum und die Vielfalt der Pflanzenarten: Je mehr Nährstoffe in das System gelangen, desto stärker geht der stabilisierende Effekt der Artenvielfalt verloren und das Ökosystem kann aus dem Gleichgewicht geraten.

Der Grund dafür ist laut den Wissenschaftern der Verlust des "Portfolio-Effekts", da durch den Nährstoff-Eintrag weniger Arten wachsen und diese gleich, also synchron, auf Umweltveränderungen reagieren. "Man sollte nicht nur berücksichtigen, wie produktiv Ökosysteme im Moment sind, sondern auch wie stabil sie langfristig sein werden. Die biologische Vielfalt ist dabei entscheidend, wenn die Stabilität von Ökosystemen langfristig erhalten werden soll", so Martin Schütz von der Eidgenössischen Forschungsanstalt WSL. (red, derStandard.at, 1. 3. 2014)