Auch der Innenminister sagt gelegentlich etwas Richtiges. Da kann man nicht verlangen, dass es auch noch originell sein soll. Obwohl es im konkreten Fall einer unfreiwilligen Komik nicht entbehrte. Weil es nicht unmittelbar sein Ressort betraf, denn dort waltet eher Tragik. Nein, ausgerechnet am Abend der dieswöchigen Sondersitzung des Nationalrates fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Er kritisierte die mangelnde Verlässlichkeit der FPÖ, und zwar mit den Worten, bei ihr handle es sich um eine "tickende Zeitbombe". Na geh!

Brandstifter rufen oft die Feuerwehr, aber nur selten rufen Bombenleger nach dem Entminungsdienst. Die FPÖ ist - allgemein bekannt - unverlässlich, seit Jörg Haider ihr Obmann wurde. Zur Zeitbombe aufgerüstet wurde sie erst von Wolfgang Schüssel. Dass solche Explosivware dem nicht immer exakt vorherbestimmbaren Zeitpunkt einer Detonation entgegentickt, liegt in ihrer Natur. Ausgelöst wurde die Zündung dann frühzeitig aus Angst vor unkontrollierbarer Explosion vom Aufrüster, und zwar so, dass sie sich als Rohrkrepierer zum Schaden der FPÖ erwies. Vom Erfolg angespornt bastelte Schüssel genau dasselbe Modell gleich noch einmal zusammen, und nun tickt sie halt wieder vor sich hin. Ziemlich mühsam übrigens.

Nur der Kanzler tut nun angestrengt so, als hörte er nichts, weil er bei voraussichtlich sinkendem Ertrag nicht schon wieder als Sprengmeister seines eigenen Projektes auftreten möchte. Und nur die SPÖ-Spitze presst von Zeit zu Zeit das Ohr an die blaue Kartusche, in hoffnungsloser Erwartung, das Ticken möge sich beschleunigen und in eine baldige Explosion übergehen, unter deren Gewalt diesmal die schwarz-blaue Koalition in Trümmer fällt. Aus eigener Kraft - der Eindruck ist nicht abzuweisen - traut man sich das große Werk nicht zu. Statt den Wählerinnen und Wählern eine stabile Alternative zu einer wackeligen Koalition klar vor Augen zu führen, setzt man auf die selbstzerstörerischen Kräfte in dieser Regierung, unbelehrt, dass die SPÖ von deren blindem Walten schon einmal nicht wirklich überzeugend profitieren konnte.

Aber diese Woche hat aufs Neue erwiesen, die FPÖ ist nicht einmal in ihrer Unverlässlichkeit verlässlich. Wer auf ihre großspurigen Ankündigungen, was sie zum Wohl des kleinen Mannes der ÖVP nicht alles antun würde, hereinfällt und glaubt, politisch punkten zu können, indem er sich an sie anhängt, wird selber unglaubwürdig.

Hätte Schüssel nach- und sich zu irgendeinem gemeinsamen Antrag hergegeben, hätten das - wie klein das vorgezogene Steuerreförmchen auch ausgefallen wäre - die Wähler, die die SPÖ noch immer von der FPÖ zurückholen will, obwohl die meisten davon inzwischen bei der ÖVP sind, doch nur Jörg Haider gutgeschrieben. Und dass die FPÖ den Mumm hätte, mit der Opposition gegen den Regierungspartner zu stimmen, kann doch ernsthaft niemand geglaubt haben.

Die FPÖ taumelt am Krepierhalfter Wolfgang Schüssels vor sich hin, und das wird sie so lange brav tun, bis sich Klarheit über das Schicksal Jörg Haiders nach der Kärntner Landtagswahl abzeichnet. Bis dahin kann der Kanzler gelassen Türen zuschlagen, in denen der blaue Boss seinen Fuß stecken hat, ohne auf dessen Schmerzensschreie besonders achten zu müssen. Eine Oppositionspartei, die es für geniale Taktik hält, da auch noch ihren Kopf dazwischenzustecken, wird vielleicht vorübergehend Haiders Schmerzen lindern, aber selber einiges abbekommen. Im besten Fall den Spott, Jörg Haider wieder einmal auf den Leim gegangen zu sein. Die Regierung zu ärgern ist noch kein Programm, und vor allem: Man muss es können. (DER STANDARD, Printausgabe, 16./17.8.2003)