Wenn der 11. September 2001 die Öl- und Militärallianz der USA mit Saudi-Arabien zerbrochen hat, dann war der 12. Mai 2003 wohl der Tag, an dem das saudische Königshaus mit dem extremistischen Biotop im eigenen Land brach. 35 Menschen starben damals bei drei Bombenanschlägen im Wohnviertel der Hauptstadt Riad, mehr als 200 wurden verletzt. Die Al-Kaida ist eine Terrormarke "Made in Saudi Arabia": gegründet von einem Saudi, zum Großteil finanziert mit saudischem Vermögen, gestützt auf ein Netz zum Selbstmord bereiter Männer auch aus saudischen Städten. Doch erst die Einsicht, dass die Terrororganisation ihren "Krieg" auf Saudi-Arabien ausgeweitet hat, brachte das Königshaus und seine Muslimgelehrten in Bewegung. Deren "Fatwa" liest sich deshalb auch wie ein Appell zur Verteidigung der Herrschaft des Hauses Saud.

Seit den Selbstmordanschlägen vom Mai liefert sich die saudische Polizei fast wöchentlich Schießereien mit mutmaßlichen Terroristen. Nach mehr als 15 großen Razzien und vielleicht 200 Verhaftungen hat sie ein Netz von "Schläferzellen" offen gelegt, dessen Ausmaß zumindest die Öffentlichkeit im Land überrascht. Von einem ähnlichen Netz von Unterstützern für die Terrorpiloten des 11. Septembers ist wohl auch auf jenen 28 Seiten des Untersuchungsberichts des US-Kongresses zu lesen, die Präsident Bush zur Verschlusssache erklären ließ.

Der Wandel in der saudischen Gesellschaft - nicht eben ein Hort liberaler Meinungsäußerung - ist nun sichtbar. Stimmen werden plötzlich laut, die zeigen, wie stark die Spannungen zwischen Establishment und extremistischem Milieu geworden sind: "Ich haben diese Leute satt, die wenig Kenntnis von der Religion haben und versuchen, mir Lehren in die Kehle zu stopfen, die nichts mit dem Islam zu tun haben", sagt der Herausgeber der Tageszeitung Arab News . Viel zu lange war das für das saudische Königshaus kein Problem. (DER STANDARD, Printausgabe, 18.8.2003)