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Ein Wildschweinteil ärgert einen Richter

Foto: dpa/Horst Ossinger

Korneuburg – Dass ein abgeschnittener Tierkopf eine eher unfreundliche Geste ist, weiß man, seit Jack Woltz im "Paten" neben diesem Stück seines Lieblingspferdes im Bett erwachte. Im Fall von Franz S. geht es, unter anderem, um einen Wildschweinkopf. Den soll er im Garten des Landesgerichtspräsidenten von Krems platziert haben. S. wird Stalking und gefährliche Drohung vorgeworfen, vor Richterin Anna Wiesflecker im Landesgericht Korneuburg leugnet er das.

"Menschen mit verdichtetem Rechtsbewusstsein" sagen manche Justizangestellte, wenn sie den Begriff "Querulant" vermeiden wollen. Franz S. könnte ein solcher sein – oder ein engagierter Bürger, der für sein Recht kämpft.

Die Geschichte beginnt mit einer Busbucht in einer niederösterreichischen Kleingemeinde. Wegen der liegt S. seit Jahren mit der Gemeinde im Clinch. Wer im Recht ist, weiß auch Rudolf Lind, sein Verteidiger, nicht. Er ist jedenfalls von der Unschuld seines Mandanten überzeugt: "Das waren im Wesentlichen Plakataktionen, das ist kein Stalking."

Bürgermeister und Präsident als Ziele

Der Fall ist eigenartig. Zwei Ziele hat sich S. ausgesucht: Den ehemaligen Dorfbürgermeister und Norbert Klaus, den Gerichtspräsidenten. Aus Sicht des Angeklagten ist er Opfer eines Betruges geworden, und das will er der Welt mitteilen. Mit hunderten selbstgebastelten Plakaten, die er großflächig affichierte.

"Ich habe nicht mehr und nicht weniger gemacht als Missstände aufgezeigt", sagt S. zu Wiesflecker. Beschimpfungen seien keine zu lesen gewesen. In Bezug auf den Bürgermeister könnte man: "Wo hält sich Eure versoffene kriminelle Drecksau versteckt?" zwar schon so verstehen, es entstanden aber auch durchaus originelle Texte wie: "Da sprach Petrus zu seinem Veltlinervolk."

Die Betroffenen rissen die Plakate ab, S. hängte neue auf. Das Seltsame ist, dass die beiden Lokalprominenten ihn nicht wegen Verleumdung oder Ähnlichem angezeigt haben, sondern eben wegen beharrlicher Verfolgung. Die "Gefährliche Drohung" ist übrigens angeklagt, da auf einem plakatierten Foto des Gerichtspräsidenten eine Reißzwecke auf dessen Stirn prangte. Die Justiz sieht darin offenbar eine Analogie zu einem Fadenkreuz.

Demo mit Kadaverteil

"Und was ist mit dem Wildschweinkopf?", fragt Wiesflecker schließlich. "Den habe ich bei einer Demo in Krems mitgehabt. Auf einer Drei-Meter-Tafel auf meinem Fahrradanhänger." "Und woher haben Sie den Kopf?" "Von einem erschossenen Wildschwein." Das er selbst gejagt hat.

Aber in den Garten habe er den Kadaverteil nicht geworfen. "Ich habe den Anhänger beim Bahnhof stehen gelassen, das kann jeder gewesen sein." "Sie haben den Kopf einfach stehen gelassen? Da fürchten sich ja die Kinder", wundert sich die Richterin. "Der tut den Kindern eh nichts mehr", lautet die Antwort.

Fortsetzung am Donnerstag. (Michael Möseneder, DER STANDARD, 19.02.2014)