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Johan Cruyff bei einem Benefizspiel im Jahr 1999 im Dress von Ajax Amsterdam. Der heute 67-Jährige holte seinen Klub durch eine "samtene Revolution" aus einer jahrelang andauernden Sinnkrise.

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Ajax-Trainer Frank de Boer vereint zwei Schulen.

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Wien/Amsterdam - "Dieses Ajax ist noch schlechter als die Mannschaft aus der Zeit, bevor Rinus Michels 1965 zum Klub kam." Dies verkündete 2010 niemand Geringerer als Johan Cruyff, der Gralshüter der niederländischen Fußballkultur.

Ein vernichtendes Urteil über seinen Verein, der in den frühen 1970er-Jahren den Fußball auf eine neue Ebene gehoben hatte. Cruyff selbst hatte diese Transformation geprägt - als kickender Visionär und Revolutionsführer in einer Person. Er war der beste Spieler der Welt, und Ajax Amsterdam - unter Anleitung des beinharten Zuchtmeisters Michels - das beste Team.

Es ging um Räume und darum, wie man sich in diesen bewegt, um eine präzise, technikbesessene Organisation des Erfolgs - intelligent, kompromisslos, aggressiv. Nie zuvor war das Spiel auf einem derartigen Komplexitätsniveau, nie zuvor war es schöner anzusehen. Individualität im System, das war die Formel.

In keinem Moment wurde die Überlegenheit der klassischen Ajax sichtbarer als in jenem Augenblick, in dem Gerrie Mühren im Meistercup-Halbfinale 1973 gegen Real Madrid vor vollbesetzten Rängen im Bernabeú plötzlich zu gaberln begann. Wenig später wanderte der dritte Pokal in Folge nach Amsterdam.

Das Wunderteam zerbrach danach zwar rasch an Eifersüchteleien unter den Stars, der Klub aber wurde Mythos und blieb Vorbild. Seine Nachwuchsschmiede galt als legendär. Einmal noch, 1995, mit dem Trainer Louis van Gaal und einer neuen goldenen Generation, wurden die lichten Höhen erreicht: Gewinn der Champions League im Endspiel gegen Milan in Wien.

Diesmal war es die Entfesselung der Marktkräfte nach dem Bosman-Urteil, die einen Exodus von Spitzenspielern provozierte und Ajax dauerhaft von der großen Bühne abgehen ließ. Im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends nahm der Niedergang dramatische Ausmaße, als auch national die Vorherrschaft verlorenging. Rekordmeister Ajax (32 Titel) ging zwischen 2004 und 2011 in der Eredivisie leer aus, verschliss dafür aber jedes Jahr einen Trainer.

Wertewandel

Angesichts dieser Lage konnte Cruyff nicht stillhalten. Er kehrte, ganz ungnädiger König, zu seiner alten Liebe zurück und inszenierte einen, sonderbarerweise als "fluwelen Revolutie" ("samtene Revolution") bekanntgewordenen, Kreuzzug. Das Personal sei unfähig, ein Freundeskreis, der die Normen und Werten des Klubs, verraten habe. Mehr Sachverstand müsse her, die Kultur des Mittelmaßes gelte es zu überwinden. Am Ende waren 26 Köpfe gerollt. Das Ausbildungskonzept im Jugendbereich wurde unter Federführung von Exprofis wie Wim Jonk und Dennis Bergkamp neu justiert: Weniger Schematismus, mehr Kreativität heißt die Devise. Über allem wacht Sportchef Marc Overmars.

Mit Trainer Frank de Boer kam 2010 Stabilität und der Erfolg zurück. Dreimal en suite führte er Ajax zur Meisterschaft. Der 43-Jährige versöhnt in sich die Schulen Cruyffs und van Gaals. Mit seiner Vorliebe für den aufrückenden Zentralverteidiger schlägt er eine Brücke zur Tradition.

De Boers Mannschaft ist wieder am Ideal des attraktiven Spiels orientiert. Auch wenn sie daran immer wieder scheitern mag, die Gewinnermentalität immerhin ist zurück. In der Eredivisie steht aktuell eine Serie von zehn Siegen und zwei Remis zu Buche.

Zwölf Spieler aus dem eigenen Nachwuchs stehen im Kader, eine der heißesten Aktien heißt Jairo Riedewald. Bei seinem Debüt im letzten Dezember schoss er, in der 80. Minute eingewechselt, Ajax mit Toren in der 88. und 92. Minute zum Erfolg in Kerkrade.

Auch nicht schwach: Lasse Schöne. Der 27-jährige Däne, ein dynamischer und torgefährlicher Mittelfeldspieler, entschied die Generalprobe für das Salzburg-Spiel quasi im Alleingang. Mit einem Hattrick beim 3:0 gegen Heerenveen vor wieder einmal mehr als 50.000 Zuschauern im eigenen Haus. (Michael Robausch, DER STANDARD, 19.2.2014)