Istanbul - Der türkische Premier Tayyip Erdogan ist ein weiteres Mal als Anrufer in einer Chefredaktion in die Schlagzeilen gekommen. In einem abgehörten Gespräch mit dem Direktor der Mediengruppe des Ciner-Konzerns, dem die Zeitung Habertürk und der gleichnamige TV-Sender gehören, monierte Erdogan, dass dem Oppositionskandidaten bei den Istanbuler Bürgermeisterwahlen zu viel Platz eingeräumt werde. "Ich sehe das selbst, ich lese jeden Tag die Zeitungen, ich schaue jeden Tag fern, ich verfolge das alles", wies Erdogan Direktor Fatih Saraç zurecht. Der versuchte sich gegen Erdogans Vorwurf zu verteidigen, der Oppositionspolitiker erscheine zu oft auf den Titelseiten von Habertürk.

Erdogan nannte in dem Gespräch vom November den Bürgermeisterkandidaten Mustafa Sarigül nicht namentlich. Sarigül liegt einer Umfrage zufolge gleichauf mit dem amtierenden Istanbuler Bürgermeister von Erdogans konservativ-religiöser Partei AKP.

Viele Interventionen

Bis zu den Kommunalwahlen am 30. März sind weitere kompromittierende Veröffentlichungen gegen Erdogan zu erwarten. Der türkische Premier hatte Korruptionsermittlungen der Justiz gegen Geschäftsmänner aus dem Umfeld der Regierung unterbunden. Tausende führender Polizeibeamter wurden abgelöst; aus deren Reihen könnten die abgehörten Gespräche stammen, die auf Yotube veröffentlicht werden. Das von der AKP kontrollierte Parlament erließ deshalb ein Gesetz, das die rasche Blockierung von Webseiten erlaubt. Auch das Selbstverwaltungsorgan der Justiz kam per Gesetz unter die Aufsicht des Justizministers. (mab/DER STANDARD, 19.2.2014)