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Zum dritten Jahrestag der Revolution gegen das Regime von Muammar Gaddafi fanden in Tripolis Flaggen und andere Souvenirs in den Landesfarben großen Absatz.

 

Foto: EPA/ SABRI ELMHEDWI

Hunderttausende Euro sind in den vergangenen Nächten in die Luft geflogen. Drei Tage lang haben die Libyer den Beginn der Revolution gegen das Gaddafi-Regime am 17. Februar 2011 lautstark gefeiert. Die Erschütterungen der Knallkörper und Feuerwerke waren so heftig, dass sie in weitem Umkreis die Alarmanlagen der Autos aktivierten. Auf dem Märtyrer-Platz im Zentrum von Tripolis vergnügten sich ganze Familien, die Atmosphäre war ausgelassen, der Handel mit grün-schwarz-roten Flaggen und Ballons boomte.

Auf einen Schlag schienen alle Sorgen über die sich stetig verschlechternde Sicherheit und die politische Blockade vergessen. Die Menschen freuten sich einfach, dass es mit der Revolution gelungen war, die verhasste Diktatur nach 43 Jahren zu stürzen. Aber die Feststimmung hielt nicht lange. Kaum waren die letzten Feuerwerke zu Ende, schlug eine Mörsergranate im Gebäude eines Fernsehsenders ein. Und in Bengasi im Osten des Landes wurde das Hauptquartier der Pfadfinder Ziel eines Anschlags.

Allgemein hat sich die Stimmung im Land merklich eingetrübt. Jetzt sagen immer mehr Libyer: "Es wird jeden Tag etwas schlechter" - und nicht mehr wie nach dem Bürgerkrieg: "Es wird jeden Tag etwas besser." Die Gewalt zeigt sich in vielen Formen, manchmal ist sie politisch motiviert, dann wieder rein kriminell. "Hier werden ständig Autos mit Waffengewalt gekapert", erzählt ein Chauffeur auf der Fahrt über eine Durchgangsstraße. Jeder hat eine Waffe; auch Ladenbesitzer. Das Schlimme sei, dass man sich an niemanden wenden könne, wenn etwas passiert. Die Polizei sei nach wie vor völlig machtlos, fügt der Chauffeur hinzu.

Folgenloses Ultimatum

Auch die politische Gewalt manifestiert sich erneut mit ganzer Explosivität. Ex-Rebellen aus Zintan gaben den Abgeordneten des Übergangsparlaments am Dienstag fünf Stunden Zeit, um zurückzutreten. Sie machten die Muslimbrüder und Extremisten verantwortlich für das politische Chaos im Land. Der Chef der liberaleren Kräfte dementierte, dass die Brigaden in seinem Namen agieren würden. Das Ultimatum verstrich ohne Konsequenzen, nachdem lokale und internationale Vermittler sich eingeschaltet hatten. Viele Libyer deckten sich aber vorsichtshalber mit Benzin ein. Putschgerüchte hatte es bereits vergangene Woche gegeben.

Der Hass auf die Muslimbrüder hat spürbar zugenommen. Sie würden versuchen, sich in allen entscheidenden Positionen festzukrallen, wird ihnen vorgeworfen. Die politische Konstellation sei inzwischen wie jene in Ägypten, mit dem Unterschied, dass in Libyen jede Partei ihre Miliz habe, erklärt eine junge Journalistin. Bisher gebe es eine Balance zwischen diesen Kräften; sollte die aber gestört werden, drohe ein bewaffneter Flächenbrand.

Gegen das Übergangsparlament gibt es in der Bevölkerung tatsächlich eine breite Front der Ablehnung. Regelmäßig wird gegen die Verlängerung des Mandats protestiert, die sich die Abgeordneten selbst gegeben hatten, nachdem ihre Amtszeit am 7. Februar eigentlich abgelaufen war.

Wenige schreiben sich ein

Die politischen Blöcke lähmen sich gegenseitig. Die Folge ist auch eine Blockade der Regierung. Nur 1,1 Millionen Libyer und Libyerinnen - gegenüber 2,9 Millionen bei den Parlamentswahlen - haben sich deshalb für die Wahl einer 60-köpfigen Verfassungskommission am Donnerstag registrieren lassen.

Die Wahl wurde mit Absicht kurz nach den Revolutionsfeiern angesetzt, damit dieser Elan möglichst anhält und mindestens die eingeschriebenen Wähler auch zu den Urnen gehen. Viele Libyer haben die Geduld und das Vertrauen in die politische Neugestaltung bereits verloren. Die einen verweigern deshalb ihre Teilnahme an den Wahlen, viele gehen noch einen Schritt weiter und suchen einen Neuanfang im Ausland. (Astrid Frefel aus Tripolis, DER STANDARD, 20.2.2014)