Erfolgsschriftsteller Daniel Glattauer: "Ich glaube, dass sich Glück generell weder erarbeiten noch konservieren lässt, Erfolg vielleicht, Glück nicht."

Foto: Deuticke / Heribert Corn

STANDARD: Wie sind Sie zum Stoff für die Komödie "Die Wunderübung" gekommen?

Glattauer: Ich hab eine fünfsemestrige Ausbildung zum Psychosozialen Berater gemacht. Da war Paartherapie ein großes Thema. Eigentlich wollte ich mich ja während des Studiums vom Schreiben ausruhen oder zumindest ablenken. Aber plötzlich war die Idee für eine Komödie da.

STANDARD: Warum ein Bühnenstück und keine erzählte Geschichte?

Glattauer: Weil ich nur drei handelnde Personen habe, wobei sich zwei davon im ehelichen Dauerstreit befinden. Die vertragen keinen Erzähler, die müssen unbedingt selbst reden, vor allem die Ehefrau. Schon die dritte Figur, der Therapeut, hat größte Mühe, zu Wort zu kommen.

STANDARD: Mit welcher der drei Rollen haben Sie sich beim Schreiben selbst am besten identifizieren können?

Glattauer: Mit dem Paarberater hab ich wohl am meisten mitgelitten. Aber ich denke, ein Drei-Personen-Stück kann nur gelingen, wenn man sich mit drei Figuren identifiziert, wenn man abwechselnd in drei Wirklichkeiten lebt und ein authentisches Sprachrohr jedes Einzelnen ist.

STANDARD: Stimmt das Gender-Klischee noch immer: Reden Frauen lieber über Beziehungsprobleme als Männer, und gehen sie lieber zum (Paar-)Therapeuten?

Glattauer: Wenn mein Bekann-tenkreis repräsentativ ist, dann stimmt es. Wobei gilt: Über Probleme zu reden heißt, Probleme zu erkennen. Der typisch männliche Umkehrschluss: Redet man nicht über Probleme, so existieren sie nicht. Diese Art der "Problembewältigung" kommt bei Frauen allerdings zunehmend schlechter an.

STANDARD: In der "Wunderübung wird klar, dass Kommunikation zwischen Mann und Frau mehr als oft schiefläuft, selbst in einer Therapeutenpraxis. Kann Therapie das in konstruktive Bahnen lenken?

Glattauer: Therapie beziehungsweise systemische Beratung kann überhaupt nicht "lenken". Sie kann nur Lenkräder zum Selbersteuern anbieten. Und sie kann sagen, wie man das Lenkrad vielleicht am besten hält. Schon an diesem Bild sieht man, wie schwer es Paare haben, denn sie müssen sich ein Lenkrad teilen und gemeinsam so lenken, dass sie nicht irgendwann aus der Bahn geworfen werden.

STANDARD: Sind Langzeitbeziehungen heutzutage überhaupt noch ohne Therapie machbar bzw. wie hat das in früheren Zeiten funktioniert?

Glattauer: Um beim "Lenkrad" zu bleiben: Früher hat der Mann gelenkt und die Frau austariert. Oder, noch schlimmer, die Frau hat gelenkt, und der Mann hat gesagt, wohin. Denn er war der Alleinverdiener, also der Autobesitzer. Heute sehe ich schon in der Theorie nur eine einzige Chance für Langzeitbeziehungen: Man muss ähnliche Vorstellungen von der Wegstrecke und den Etappenzielen haben. Dann lenkt einmal er und einmal sie, schön abwechselnd. Und bitte dem anderen nicht unentwegt ins Steuer greifen!

STANDARD: Ich möchte nicht zu viel verraten, aber gegen Ende geht es auch darum, dass man das Glück, das man sich erarbeitet hat, auch aushalten muss. Ist das etwas, das der Schriftsteller Daniel Glattauer gut nachvollziehen kann?

Glattauer: Ich glaube, dass sich Glück generell weder erarbeiten noch konservieren lässt, Erfolg vielleicht, Glück nicht. Glück sind immer nur Momentaufnahmen. Die Summe aller Augenblicke im Leben, die man genossen hat. - Das wäre so meine Glücksdefinition. Glücklich ist man also schon, wenn man überhaupt genießen kann.

STANDARD: Dürfen wir die "Wunderübung" als kleine Aufwärmübung für Ihren nächsten größeren Roman verstehen, der im Herbst erscheinen wird?

Glattauer: Ja!

STANDARD: Und gibt es schon Pläne für eine Aufführung Ihres neuen Stücks?

Glattauer: Ja. Die Uraufführung von Die Wunderübung wird, wie schon die erste Bühnenfassung von Gut gegen Nordwind und Alle sieben Wellen, an den Wiener Kammerspielen stattfinden, aber wahrscheinlich erst Anfang nächsten Jahres. (Mia Eidlhuber, Album, DER STANDARD, 22./23.2.2014)