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Vermisst rechtliche Grundlagen für den Konkurs eines Bundeslands: Ewald Nowotny.

Foto: Reuters/Heinz-Peter Bader

STANDARD: Klaus Liebscher ist als Chef der Taskforce zurückgetreten, weil die Prüfung einer Insolvenz die Reputation Österreichs beschädigt, wie er sagt. Sie selbst haben auch eindringlich vor der Pleite gewarnt, warum übernehmen Sie dann die Taskforce-Leitung?

Nowotny: Ich habe die Aufgabe nur übernommen, damit ein geordneter Abschluss der Arbeit der Taskforcegruppe möglich ist. Nach Vorlage des Berichts am 3. März ist meine Tätigkeit aus meiner Sicht beendet. Das ist keine permanente Aufgabe.

STANDARD: Die unterschiedliche Position von Taskforce und Finanzministerium stört Sie nicht?

Nowotny: Das ist nicht illegitim. Der Eigentümer ist letztlich der Entscheider und eine politische Stelle.

STANDARD: In der Öffentlichkeit entsteht der Eindruck, dass die involvierten Stellen nicht an einem Strang ziehen.

Nowotny: Der Eindruck ist vielleicht nicht ganz unberechtigt, aber es geht ja nicht um eine einfache Frage, die so leicht mit Schwarz oder Weiß zu beantworten ist. Wir stehen aber jedenfalls unter wachsendem Druck, rasch eine klare Entscheidung zu treffen.

STANDARD: Waren Sie informiert darüber, dass das Finanzministerium internationale Experten beauftragt?

Nowotny: Darüber brauche ich nicht informiert zu sein. Ich finde es richtig, dass sich das Ministerium mit Expertenrat auch extern eindeckt. Ich habe das auch schon lange vorgeschlagen, insbesondere in Bezug auf die Anstaltslösung.

STANDARD: Sie kennen den neuen Berater Dirk Notheis aus dem Verkauf der Bawag, deren Generaldirektor Sie waren. Welche Meinung haben Sie von ihm?

Nowotny: Ich habe eine sehr hohe fachliche Meinung von ihm.

STANDARD: Weil Sie das Wort fachlich betonen: Gibt es in anderen Belangen, etwa wegen der dubiosen Rolle von Notheis beim EnBW-Verkauf, Zweifel ihrerseits?

Nowotny: Ich kenne den Fall nicht genau. Meine persönlichen Erfahrungen sind jedenfalls sehr gut.

STANDARD: Ihre Warnungen vor einer Hypo-Insolvenz werden nicht einhellig geteilt: Warum ist es so schlimm, wenn Kärnten für seine Haftungen und damit Verpflichtungen einstehen muss?

Nowotny: Aus zwei Gründen: Erstens haben wir keine rechtlichen Grundlagen für den Konkurs eines Bundeslandes. Das ist vielleicht ein Versäumnis, und man sollte sich für die Zukunft darauf einrichten. Ein Konkurs würde auf jeden Fall viele schwierige Folgeprobleme nach sich ziehen. Zweitens ist es nicht ohne Sensibilität, wenn ein Teil des öffentlichen Sektors seine Verpflichtungen nicht erfüllen kann. Ich halte das für problematisch. Ein Land von der Reputation Österreich sollte dieses Risiko nicht auf sich nehmen.

STANDARD: Aber noch einmal: Es gibt Vermögenswerte wie Stromversorger, Grundstücke, Zukunftsfonds. Jeder Private müsste diese Vermögen versilbern, wenn er sich übernommen hat. Warum wird das tabuisiert?

Nowotny: Ich würde das nicht tabuisieren. Man muss aber zwischen Außen- und Innenverhältnis unterscheiden. Nach außen hin soll die Republik ein absolut verlässlicher Schuldner bleiben. Nach innen sollte das Land Kärnten in einem höchstmöglichen Ausmaß herangezogen werden.

STANDARD: Aber allein schon das Insolvenzszenario hat den Charme, die Gläubiger unter Druck zu setzen. Mancher Anleihezeichner nimmt lieber jetzt 60 Prozent, als in jahrelange Prozesse mit unsicherem Ausgang einzutreten.

Nowotny: Da muss man sich die rechtliche Ausgestaltung der Haftung genau anschauen. Nach jetzigem Erkenntnisstand würde die Haftung sofort eintreten und nicht erst nach Verwertung aller Aktiva.

STANDARD: Die Notenbank war über Jahre hinweg mit der Hypo befasst. Haben Sie zu schlecht geprüft oder zu leise gewarnt?

Nowotny: Man glaubt oft, die Notenbank ist der Ober-Bankprüfer. Die Aufgabe der Notenbank ist aber nicht die eines Wirtschaftsprüfers, sondern auf die Erfüllung rechtlicher und organisatorischer Vorgaben zu achten. Das ist geschehen und hat sogar dazu geführt, dass der Vorstand der Bank ausgewechselt werden musste. Das, was wir machen konnten, haben wir gemacht. Darüber hinaus hat es sicherlich Missstände gegeben, deren Behebung aber nicht in die Zuständigkeit der Bankenaufsicht fällt.

STANDARD: Das heißt, eine Werthaltigkeit eines Kredits oder einer Sicherheit wird von der Notenbank gar nicht geprüft?

Nowotny: Das ist genau das, was die EZB jetzt im Rahmen des Asset Quality Review als außergewöhnliche Maßnahme unternimmt und sich dazu zusätzlicher externer Wirtschaftsprüfer bedient. Keine Notenbank der Welt hat im Normalbetrieb die Funktion des Wirtschaftsprüfers. Was die Notenbank verlangen konnte, war, externe Sonderprüfungen durchzuführen. Das ist auch geschehen, allerdings erst zu einem Zeitpunkt, als die Problemkredite schon gelaufen waren.

STANDARD: Sie haben die Berechnung von weiteren Kosten für den Steuerzahler von bis zu vier Milliarden Euro als plausibel bezeichnet. Wenn Sie keine genauen Kenntnisse über die Werthaltigkeit der Assets haben: Wie können Sie diese Aussage treffen?

Nowotny: Deshalb sage ich ja auch nicht, dass die Zahlen exakt sind, sondern dass sie plausibel scheinen. Was wir kennen, ist, wie die Leitung der Hypo-Alpe-Adria zu diesen Zahlen kommt. Die Methode dieser Schätzung können wir nachvollziehen. Jedenfalls eindeutig ist, dass eine Zahl wie 18 Milliarden zu hoch ist, weil das der Betrag aller Aktiva ist, von denen ein erheblicher Teil werthaltig ist. Das heißt, man kann diese Aktiva verkaufen, zu welchen exakten Preisen, wird sich erst nach Abwicklung des jeweiligen Geschäfts herausstellen. Die Berechnungen sind keine Prognose - die kann kein Mensch heute abgeben -, sondern eine Plausibilitätsprüfung.

STANDARD: Aber genau bei der Bewertung kroatischer Hotels oder serbischer Gewerbecenter gibt es die größten Zweifel an der Bewertung durch die Hypo.

Nowotny: Wir sind ja nicht bei der Stunde null, diese Aktiva sind ja schon mindestens dreimal durchgeschaut worden. Die Grundannahme ist die, dass die Assets von den verschiedenen Vorständen einer mehrfachen Qualitätsprüfung unterzogen wurden und entsprechende Abwertungen erfolgt sein müssten. Es ist aber nicht auszuschließen, dass es immer wieder Überraschungen geben kann. Nach den bisherigen Erfahrungen mit der Hypo Alpe Adria sind das in der Regel leider negative Überraschungen. Daher sind alle Aussagen mit Vorsicht zu versehen. Auch in der Bank kann man den Wert erst kennen, wenn alle Geschäfte abgewickelt sind. (Andreas Schnauder, DER STANDARD, 25.2.2014)