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Das Symbolbild: Haider am Steuer des Porsche, Schüssel am Beifahrersitz. Zwei Hasardeure, einer impulsiv, der andere kalkulierend. Jeder glaubte, den anderen ausmanövrieren zu können.

Foto: apa/Gert Eggenberger

Wolfgang Schüssel und Jörg Haider waren beide Hasardeure. Der eine kalkulierend, der andere impulsiv. Beide waren von ihren eigenen politischen Fähigkeiten so eingenommen, dass jeder überzeugt war, den anderen in einer überaus riskanten und tabubrechenden Koalition ausmanövrieren zu können. Sie waren "einander in tief sitzender Verachtung zugetan" (Joachim Riedl: "Der Wende-Kanzler", 2001).

Haider war der Mann der eingängigen politischen Symbolik: Zu Pfingsten 2000 in Kärnten er am Steuer des Porsche, Schüssel am Beifahrersitz, so wollte er das Verhältnis gesehen haben. Schüssel wiederum vertraute auf seine Fähigkeiten als begnadeten Verhandler. Diese Fähigkeiten sind evident: Als etwa in den nächtelangen EU-Beitrittsverhandlungen in Brüssel, die jetzt gerade 20 Jahre her sind, Außenminister Alois Mock gesundheitlich zusammenbrach und in einer gespenstischen Mitternachtspressekonferenz sogar ein Scheitern in den Raum stellte, rettete Wirtschaftsminister Schüssel die Situation (auf der SP-Seite tat Finanzminister Ferdinand Lacina das Gleiche beim psychosomatisch beeinträchtigten Verkehrsminister Viktor Klima).

Schüssels Geschenk an FPÖ

Schüssel traute sich Haider 1999/2000 einfach zu (obwohl ihn der schon einmal (feindliche Übernahme, der CA durch die Bank Austria 1997) hatte hängenlassen. Aber er zahlte einen Preis: die ÖVP, immer als Wirtschaftspartei firmierend, übergab fast alle wirtschaftspolitischen Schlüsselstellen an die FPÖ. Das ergab viele Möglichkeiten, Inkompetenz und Korruptionsanfälligkeiten auszuleben. Und als Haider sich mit der Hypo Alpe Adria seinen Hausbankomaten schuf, achtete Schüssel nicht besonders darauf, was sich da im Süden tat. Mit der Ausnahme, dass er die wenigen eigenen Kärntner Parteifreunde, die aus den verschiedensten Gründen beim großen Hypo-Zockerspiel nicht mitmachen wollte, scharf zurechtwies.

Der ehemalige Kärntner ÖVP-Obmann, Georg Wurmitzer, öffnete sich im Sommer 2012: Wann immer er Widerstand gegen Haiders Pläne leistete, sei er von Schüssel nach Wien zum Rapport zitiert worden: "Dort saßen Schüssel und Riess-Passer (damals Vizekanzlerin, FP) und haben mir gesagt, ich muss brav sein. Sie können sich vorstellen, wie demütigend das war."

Wurmitzer weigerte sich 2003, der Ausgabe einer Wandelanleihe über 500 Millionen durch die Hypo zuzustimmen. Das Geld wurde vom klammen Haider als Vorgriff auf den geplanten Börsegang (!), bzw. dem Verkauf der Hypo gebraucht. Wurmitzer wollte ihm das Geld nicht in die Hand geben, "weil ich wusste, dass das dann weg ist" (statt der ÖVP stimmte die Kärntner SPÖ zu).

Bei der nächsten Gelegenheit packte Schüssel das Fallbeil aus: Wurmitzer durfte nicht mehr für die Landtagswahlen als Spitzenkandidat antreten. Heidi Glück, dereinst Schüssels Pressesprecherin, meint allerdings, Wurmitzer wäre ohnehin kein besonderes Zugpferd gewesen. Doch die grundsätzliche Beurteilung des Kärntners ÖVP-Politikers vom alten Schlag klingt plausibel: "... ich habe gespürt und miterlebt, dass die Basis der Politik, die das System Haider entwickelt hat, nicht stimmt. Es wurde Politik gemacht, ohne auf die finanziellen Möglichkeiten Rücksicht zu nehmen. Deswegen haben wir jetzt eine Landesverschuldung von 200 Prozent des Budgets - das ist absolut untragbar".

Erstaunlich für einen Machtpolitiker wie Schüssel war jedenfalls, dass er der regierungstechnisch unerfahrenen FPÖ gewaltige Spielwiesen in der Wirtschaftspolitik überließ.

Finanzminister: Karl-Heinz Grasser. Infrastrukturminister: Michael Schmid. Soziales: Elisabeth Sickl. Das wichtige Forschungszentrum Seibersdorf ging an den FPÖ-Politiker Martin Graf und bald bankrott. Die ÖIAG als Verstaatlichtenholding wurde dem jagdherrlichen Privatindustriellenklub rund um den FPÖ-Unternehmer Thomas Prinzhorn anvertraut. In der ÖIAG wurde der Plan ausgeheckt, das Juwel der Verstaatlichten, den Stahlkonzern Voest, an Frank Stronachs "Magna" zu verkaufen. Grasser war übrigens 1998/99 bei Stronach angestellt (wie jede Menge anderer FPÖ, SPÖ-und ÖVP-Politiker). Grasser, der die Privatisierung der Voest aktiv betrieb, behauptete, vom "Magna-Plan" nichts gewusst zu haben.

Als Finanzminister von 2000 bis Anfang 2007 wäre Grasser selbstverständlich auch für die Hypo-Alpe-Adria zuständig gewesen, deren Expansion auf dem Balkan mithilfe von immensen Haftungen des Landes Kärnten forciert wurde. Es ist nicht bekannt, dass Grasser sich hier jemals intensiver interessiert hätte - auch nachdem er 2004 seinen Vertrauten Heinrich Traumüller (der inzwischen von ihm abgefallen ist) in den Vorstand der "Finanzmarktaufsicht" (FMA) schickte .

Finanzkrise, Haiders Tod

Schüssel musste sein Projekt "schwarz-blau" unbedingt erhalten. Daher ließ er Haider & Co wirtschaftspolitisch fuhrwerken (z. B. auch beim Koralmtunnel). 2002 war ohnehin schon die Sollbruchstelle da: Die äußerste Rechte in der FPÖ rebellierte in Knittelfeld mit Duldung Haiders gegen die Koalition, es kam zu Neuwahlen. Wahlsieger Schüssel machte mit Wahlverlierer Haider weiter. Der konzentrierte sich auf seine Kärntner teuren Volksbelustigungsprojekte (Seebühne, Stadion, Geldverteilen) und auf die Hypo - die er dann 2007 an die Bayern verkaufte.

Am 15. September 2008 erreichte mit der Pleite von Lehmann Brothers die weltweite Finanzkrise ihren Höhepunkt. Am 11. Oktober 2008 früh katapultierte sich Haider auf einer Kärntner Landstraße alkoholisiert mit dem Auto aus dem Leben. Im Dezember darauf benötigte die Hypo 900 Millionen Partizipationskapital vom Bund. Ein Jahr später, im Dezember 2009, landete die Bank im Schoß des Staates, bzw.des damaligen ÖVP-Finanzminister Josef Pröll. Er habe die Notverstaatlichung ungeschickt verhandelt, sich von den Bayern über den Tisch ziehen lassen, lautet die Kritik.

Ein Vertrauter von Pröll heute dazu: "Die Bayern haben gesagt, sie wollen den Schlüssel zur Bank abgeben. Die FMA hat gesagt, wenn bis Montag früh die Bank nicht kapitalisiert ist, sperren sie zu. Um Mitternacht hat der damalige Chef der Europäischen Zentralbank, Jean-Claude Trichet, den Gouverneur der Österreichischen Nationalbank angerufen und uns beschworen, die Hypo nicht pleitegehen zu lassen, weil das eine Dominoreaktion auslösen könne. Meines Wissen hat Merkel Faymann angerufen und dasselbe gesagt. Die Frage ist, was für uns damals möglich war. Im Rückblick ist man schlauer - ja, eh".

Die generelle Wahrheit ist wohl, dass in Österreich die staatsnahe Wirtschaft inklusive Banken sehr groß und der Einfluss der Politik daher sehr hoch ist. Im Spezialfall hat die Schüssel-ÖVP seinerzeit der besonders ungeeigneten FPÖ zu viel wirtschaftlichen Einfluss überlassen. Für all das ist jetzt, Jahre später, eine gewaltige Rechnung fällig.  (Hans Rauscher, DER STANDARD, 25.2.2014)