Wien – Der Vollzug der Mindestsicherung funktioniert in Österreich in keinem einzigen Bundesland, kritisiert die Volksanwaltschaft. Das berichtet das Ö1-Morgenjournal. Die Betroffenen bekämen die Mindestsicherung zu spät, gar nicht, in falscher Höhe oder sie wird zurückgefordert. Laut Volksanwaltschaft ist das rechtswidrig. Volksanwalt Günther Kräuter hat diese Fälle gesammelt und wird sie nun in einem Bericht veröffentlichen.

Laut Kräuter könne bei den Missständen in der Abwicklung der Mindestsicherung nicht von Einzelfällen gesprochen werden. Beschwerden kämen aus allen Bundesländern. "Man möchte beinahe ein System dahinter vermuten. So weit möchte ich noch nicht gehen", so Kräuter im Morgenjournal. Im Frühjahr wird dem Nationalrat ein Bericht über die Problematik übermittelt.

Unzumutbare Bearbeitungszeit

Unzumutbar sei vor allem, dass die gesetzlich vorgeschriebene Bearbeitungszeit von drei Monaten oft überschritten werde. Auch das Verschlechterungsverbot, das geschaffen wurde, um zu verhindern, dass jemand finanzielle Einbußen im Vergleich zur alte Sozialhilfe erleidet, bestehe nur auf dem Papier. Zwar sieht die Volksanwaltschaft das Gesetz als vorbildlich zur Armutsbekämpfung, den Vollzug hätten die Behörden aber nicht im Griff.

Bei seiner Parteikollegin Sonja Wehsely sorgte der frühere SPÖ-Abgeordnete Kräuter mit seiner Kritik für Irritationen. Die Wiener Sozialstadträtin zeigte sich über Kräuters Vorhalte "äußerst überrascht" und "ausgesprochen verwundert". Im Gegenzug warf sie Kräuter vor, einen "neuen Stil" in die Volksanwaltschaft zu tragen und "sehr populistisch und über einen Kamm scherend" zu agieren.

144.000 Bezieher in Wien

Wehsely verwies im Gespräch mit der APA darauf, dass die Volksanwaltschaft erst in ihrem letzten Bericht Wien ausdrücklich gelobt habe. In der Bundeshauptstadt haben im Jahr 2012 rund 144.000 Personen eine Mindestsicherung bezogen, 2013 zählte die MA 40 insgesamt 52 Volksanwaltschaftsbeschwerden in diesem Bereich, davon betrafen 19 die Verfahrensdauer. Nur eine einzige davon sei nach Einschätzung der Volksanwaltschaft gerechtfertigt gewesen.

Es sei klar, dass bei rund 144.000 Beziehern der Mindestsicherung auch hin und wieder Fehler passieren können, meinte Wehsely. Aber die Volksanwaltschaft habe in ihrem Wien-Bericht 2012 generell den Vollzug durch die MA 40 und ihr Bemühen, "dass Probleme sehr rasch abgeklärt und gelöst werden", gelobt. Das Kontrollamt (jetzt: Stadtrechnungshof) habe die Einhaltung der Dreimonatsfrist geprüft: Insgesamt seien rund zwei Drittel der vollständig eingebrachten Anträge innerhalb von 20 Werktagen erledigt worden. Auch die Bearbeitungsdauer der restlichen Anträge sei bis auf wenige Ausnahmen innerhalb der gesetzlichen Frist von drei Monaten gelegen. Auch das Verschlechterungsverbot sei in Wien "zu 100 Prozent umgesetzt" worden: In Wien erhalten Mindestsicherungsbezieher im Vergleich zur früheren Sozialhilfe im Schnitt rund 50 Euro mehr pro Monat.

Hundstorfer erklärt sich für nicht zuständig

Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) erklärte sich in der Angelegenheit für nicht zuständig. Der Vollzug der Mindestsicherung sei Ländersache, er habe hier keine Kompetenzen, sagte Hundstorfer im Ö1-"Mittagsjournal". Es gehe hier um Gelder der Länder und er habe auch kein fiskalisches Druckmittel. (APA/red, derStandard.at, 25.2.2014)