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Aufnahme vom 14.01.1931: Einstein besuchte das Mount-Wilson-Observatorium in Kalifornien. Auf dieser Reise könnte das Manuskript entstanden sein.

Foto: AP

Jerusalem - Man könnte meinen, Albert Einsteins Arbeit sei hinlänglich bekannt und umfassend erforscht. Dass er an einer Alternative zur Urknalltheorie arbeitete, war bisher allerdings nicht bekannt. Nach über 80 Jahren ist nun in Jerusalem ein Manuskript des Physikers aufgetaucht, in dem er der Möglichkeit einer kontinuierlichen gleichförmigen Expansion des Universums nachging. Der Entwurf mit dem Titel "Zum kosmologischen Problem" aus dem Jahr 1931 erinnert stark an die Steady-State-Theorie, die der britische Forscher Fred Hoyle beinahe 20 Jahre später entwickelte. Einstein dürfte seine Idee zwar bald wieder verworfen haben, das Manuskript ist aber ein klarer Hinweis dafür, dass ihn die Vorstellung eines explosiven Beginns des Universums durch einen Urknall mit folgender Expansion nicht ganz überzeugte.

Die Explosion des Uratoms

Die Grundvoraussetzung für Urknall-Modelle hatte Einstein mit der 1915 publizierten allgemeinen Relativitätstheorie selbst geschaffen. In den 1920er Jahren entwickelte Georges Lemaître die erste Urknall-Theorie, 1929 entdeckte Edwin Hubble durch Entfernungsmessungen an Sternen außerhalb der Milchstraße schließlich die Expansion des Universums. Er bestätigte damit Lemaîtres Vorhersage, ohne dass ihm dessen Arbeit bekannt war. Dies schien die Annahme eines extrem heißen, dichten Anfangszustands, eines Uratoms, das im Moment der Entstehung des Universums explodierte, zu stützen.

Hoyles Gegenentwurf

In den späten 1940er Jahren widersprach Fred Hoyle dieser Interpretation: Er erkannte zwar Hubbles Entdeckung der Expansion des Universums an, folgerte daraus aber, dass sich das Universum in einem Zustand der Gleichförmigkeit befinde, in dem die kontinuierliche Erzeugung von Materie die Expansion des Weltalls vorantreibe. Detail am Rande: Den heute gängigen Begriff "Big Bang" prägte kein anderer als Hoyle, als er 1949 in einer BBC-Radiosendung die Urknalltheorie Lemaîtres kritisierte.

Öffentlich zugängliches Dokument

Wie das nun entdeckte Dokument zeigt, hatte Einstein die Grundidee der Steady-State-Theorie schon viel früher - ohne, dass Hoyle wiederum davon wusste: "Betrachtet man ein durch physische Massstäbe begrenztes Volumen, so wandern unausgesetzt materielle Teilchen aus demselben hinaus. Damit die Dichte konstant bleibe, müssen immer neue Massenteilchen in dem Volumen aus dem Raume entstehen", heißt es dort. Dass er die Idee wieder verwarf zeigt, dass Einstein der späteren Fachdebatte um fast zwei Jahrzehnte voraus war: Der zum Teil auf amerikanischem Briefpapier geschriebene Entwurf dürfte 1931 während einer Reise nach Kalifornien entstanden sein, glauben Experten.

Entdeckt hat das Manuskript nun der Physiker Cormac O’Raifeartaigh vom irischen Waterford Institute of Technology - obwohl es streng genommen nie verschwunden war: Es ist seit langem frei zugänglich im Albert-Einstein-Archiv in Jerusalem ausgestellt und auch online in dessen digitaler Datenbank abrufbar. Irrtümlicherweise wurde es bisher allerdings für den Erstentwurf eines anderen Einstein-Papers gehalten. O’Raifeartaigh und seine Kollegen veröffentlichten ihre Entdeckung aktuell auf dem Preprint-Server arXiv. (David Rennert, derStandard.at, 25.2.2014)