Ich gestehe, ich war etwas überrascht, als ich am Wochenende in manchen Schlagzeilen lesen musste, ich würde die Abschaffung der Matura fordern. Ins Rollen kam die Geschichte durch einen durchaus fair gestalteten Bericht im Ö1-Morgenjournal am 22. Februar 2014. Die Redakteurin bat mich Tage zuvor in einem sehr langen Gespräch, meine grundsätzlichen Überlegungen zur Zentralmatura darzulegen.

Es gibt zwei Möglichkeiten, Nahtstellen im Bildungssystem zu gestalten: Die abgebenden Institutionen vergeben Berechtigungen, die von den aufnehmenden Institutionen anerkannt werden, oder die aufnehmenden Institutionen gestalten Aufnahmeverfahren. Beide Systeme haben Vor- und Nachteile. Funktionieren können beide, wenn sie vernünftig organisiert sind. In Österreich hatten wir bisher das erstgenannte System. Mit der Matura erwirbt man eine allgemeine Studienberechtigung. Das funktioniert, solange diese Berechtigung auch tatsächlich einer Studienbefähigung entspricht und von den aufnehmenden Institutionen anerkannt wird.

Bei vollzentralen Klausuren - zumindest in Gegenständen, in denen alle Schüler maturieren müssen - können immer nur Mindeststandards abgeprüft werden. Das Niveau muss sich fairerweise an den leistungsmäßig schwächsten Klassen Österreichs orientieren, weil es sonst einzelne Klassen gäbe, in denen Schüler kaum eine Chance hätten, die Zentralmatura zu bestehen. Eine Politik, die z. B. sozioökonomisch bedingte Leistungsrückstände mancher Standorte abbauen will, hat dazu mehrere Möglichkeiten. Die Schüler am Ende gezielt zu überfordern und scheitern zu lassen ist aber wohl weder ethisch-moralisch noch politisch zu vertreten.

Niedriges Niveau

Eine Matura auf niedrigem Niveau kann keine allgemeine Studienbefähigung garantieren, womit der Trend, dass Institutionen im postsekundären und tertiären Bildungsbereich Aufnahmeverfahren gestalten, immer stärker werden wird - auch wenn derzeit die Beschränkung von Studienplätzen in erster Linie durch finanzielle Nöte bedingt ist und nicht durch mangelnde Fähigkeiten der Studienanfänger. Wenn eine solche Niveausenkung tatsächlich eintritt, was ich mir nicht wünsche, kann man sich die Matura ersparen, weil sie dann ihre wohl wichtigste Funktion verloren hat: die Vergabe einer allgemeinen Studienberechtigung, die auch von den aufnehmenden Institutionen anerkannt wird.

Eine "Matura light" - auf einem Anforderungsniveau, das keine allgemeine Studienbefähigung garantiert - ist schlechter als keine Matura. Ohne sie gewännen die Schüler zweieinhalb Monate Unterrichtszeit, und die Steuerzahler ersparten sich viele Millionen Euro für eine weitgehend nutzlose Zentralmatura.

Seit Jahren fordern alle Schulpartner Folgendes: zentrale Elemente in der Matura zur Sicherung von Mindeststandards, wie bisher von Lehrern erstellte Elemente zur Abbildung der Schulform, der Schwerpunktsetzungen, der Individualität der Klassen etc. Beide Teile müssen positiv beurteilt werden, um die Matura zu bestehen. Und selbstverständlich fordere ich das nach wie vor.

Da ich meine Überlegungen auch schriftlich dargelegt habe, frage ich mich schon, warum manche daraus ableiten, ich träte für die Abschaffung der Matura ein. Ich hoffe, es liegt nicht an mangelnder Lesekompetenz. (Eckehard Quin, DER STANDARD, 26.2.2014)