Das Setting ist im letzten Stock von Wiens neuem DC Tower auf der Höhe der Zeit - die Qualität des Essens leider nicht.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Einsam, trocken gebratenes Forellenfilet mit weich gekochten Tagliatelle und diversem Mini-Gemüse - trostlos.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Die Zufahrt zu Wiens höchstem, schönstem Wolkenkratzer verläuft unterirdisch - wie stets in Wiens "high-rise district" auf der Donauplatte. Oben blitzt und spiegelt alles auf stählerne Art, ausgerechnet die Ströck-Filiale wirkt damit als mit Abstand wärmster Ort des Viertels. Nicht anders als unterirdisch muss auch die Qualität dessen charakterisiert werden, was das Luxusdachrestaurant des neuen DC Towers bietet.

Über weite Strecken zumindest - Bier wird krügelweise serviert, die Aussicht ist atemberaubend. Wobei die spektakuläre Lage sicher dazu beiträgt, dass auch die Erwartungen höher sind, als das bei einem x-beliebig verschlafenen Luxushotel sonst wo in der Hauptstadt der Fall wäre.

Am falschen Ort gespart

Im Restaurant 57 - ist nach der Etage benannt - wirkt alles betont kühl, von der polierten Grabsteinästhetik des Granitbodens über den Empfang des Service bis zur Nonchalance, mit der sich die zweisprachige Speisekarte in Rechtschreib- und Übersetzungsfehlern ergeht. Ob "Jackobsmuscheln" oder "Ciapatta", ob "Herb Mushroom" als Übersetzung für Kräuterseitling (korrekt wäre King Trumpet) oder "Backfilet" (sic!) für Rückenfilet (anstatt Tenderloin): Es mutet mehr als seltsam an, dass die spanische Hotelkette Meliá zwar Millionen für exklusive Ausstattung auszulegen bereit war, aber bei der Speisekarte - dem Ersten, was der Gast in die Hand bekommt - eine derart amateurhafte Sparefroh-Mentalität beweist: Professionelle Übersetzung hätte deutlich weniger gekostet als ein halber der zahlreichen, leeren Barstühle.

Für die Küche wurde mit Siegfried Kröpfl ein Mann verpflichtet, der das Handwerk des Hotelkochs noch tief in den 1970er-Jahren bei Werner Matt erlernen durfte und als Küchenchef des Imperial gezeigt hat, wie liebenswert angestaubt sich Edelprodukte im nominell nobelsten Hotel der Hauptstadt über die Rampe bringen ließen. So ist es nicht wirklich verwunderlich, dass vieles von dem, was jetzt im Meliá serviert wird, ziemlich exakt an das erinnert, was im Imperial schon vor 20 Jahren alt ausgesehen hat.

Obers, bitte!

Petersiliencremesuppe von phänomenaler Obersmächtigkeit etwa, die wie zum Hohn noch mit fettäugig gebratenen Chorizowürfeln (neben Steaks aus dem Josper-Grill das einzig iberophile Spurenelement auf der Karte) beschwert wird. Oder eine safrangelbe "Fischcremesuppe", der das Kunststück gelingt, bis in die kleinste Nuance nicht nach Fisch zu schmecken - die Einlage aus halber Garnele und Branzino-Schnittchen nicht mitgerechnet. Besonders hübsch wird die Antiquiertheit des Konzepts anhand eines einsamen, trocken gebratenen (und nicht etwa - wie in der Speisekarte insinuiert - pochierten) Forellenfilets dargelegt, das mit weich gekochten Tagliatelle und diversem Mini-Gemüse serviert wird (siehe Bild) - trostlos.

Im Vergleich dazu wirkt die vegetarische Option, Quinoa mit einer süß-pikanten Paradeisersauce und fruchtig geschmorter Chicorée, geradezu revolutionär. Kaum Spanisches bietet auch die Weinauswahl, die im Vergleich zur Speisekarte aber richtig zukunftsfroh anmutet - ganz speziell sei auf den um 35 Euro wohlfeilen und richtig großen "Leithaberg weiß 2006" von Martin Pasler verwiesen. (Severin Corti, Rondo, DER STANDARD, 28.2.2014)

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