Es ist eine ziemliche Watschen, die das Europaparlament gerade vom deutschen Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe bekommen hat. Die Höchstrichter kassierten die Dreiprozentklausel für eine Partei und begründeten das so: Das Parlament sei zwar dabei, sich als institutioneller Gegenspieler der EU-Kommission zu profilieren. Aber man könne die Situation nicht mit dem deutschen Bundestag und seiner Fünfprozenthürde vergleichen. Denn diese sei für "die Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Unterstützung nötig".

Das klingt wie: Bundestag wichtig und bedeutend, EU-Parlament weder das eine noch das andere – folglich ist es egal, wen man dort in welcher Stärke hinschickt, zumal dort eh schon Vertreter von 162 europäischen Parteien sitzen.

Freuen können sich Piraten, Rentnerpartei, Tierschützer und die NPD, denen nach dem Fall der Dreiprozenthürde der Weg ins EU-Parlament erleichtert wird. Klar, wenn sie demokratisch legitimiert sind, müssen und dürfen sie nach dem 25. Mai auch ins Parlament einziehen. Dort wird es nach dem Karlsruher Urteil bunter und auch schwieriger werden. Noch mehr Splittergruppen mit völlig divergierenden Interessen werden die Konsensfindung nicht gerade erleichtern. 

Das Urteil ist auch eine Herausforderung für die etablierten Parteien wie CDU, CSU und SPD. Europa ist für viele Deutsche sehr weit weg, da macht man gerne einmal ein Protestkreuzchen in der Wahlzelle. Viele Wählerinnen und Wähler haben bisher nur deshalb den Splitterparteien keine Stimme gegeben, weil sie wussten, dass diese aufgrund der Sperrklausel verloren ist. Nun aber ist das anders, die großen Parteien werden auch das bei der Verteilung der Abgeordnetensitze zu spüren bekommen. (Birgit Baumann, derStandard.at, 26.2.2014)