Straßburg - Das vierte Eisenbahnpaket in der EU mit weiterer Liberalisierung und einer Stärkung des Wettbewerbs ist vom Europaparlament in Straßburg am Mittwoch mit breiter Mehrheit beschlossen worden. Ziel ist die Verbesserung des nationalen Eisenbahnverkehrs durch einen fairen Zugang zur Bahninfrastruktur für alle Betreiber. Außerdem sollen damit die Kosten gesenkt werden.

Für die Liberalisierung stimmten 420 Mandatare, 156 waren dagegen, 98 enthielten sich. Österreichs Europaabgeordnete beurteilten das Paket unterschiedlich. Der ÖVP-Mandatar Hubert Pirker sagte, das Paket sei positiv, um die Eisenbahnkorridore optimal nutzen zu können. Dagegen fürchtet die SPÖ-Europaabgeordnete Evelyn Regner eine "Zerschlagung auf Raten". Die grüne Abgeordnete Eva Lichtenberger meinte, für kleine Bahnen sei diese Reform sinnlos und ein Kostenfaktor. Der FPÖ-Mandatar Franz Obermayr bezeichnete die Stilllegung von Nebenstrecken als Frage der Zeit.

Zeitliche Begrenzung

Pirker verwies auf die Zersplitterung im Eisenbahnbereich. "Wir haben neun Kernnetzkorridore durch die EU. Ziel ist, Konkurrenz statt Monopol im Interesse des Kunden zu haben. Ein besseres Angebot, mehr Service für die Kunden. Die Zielsetzung ist, mit einer Lok von der Ostsee bis zur Adria, mit einem Ticket quer durch Europa von Danzig bis Venedig zu reisen". Derzeit gebe es bis zu 28 verschiedene Sicherheitsanforderungen an Schienenfahrzeuge, die nationalen Bescheinigungen dauerten bis zu zwei Jahre und kosteten für eine Lokomotive zwischen einer und vier Millionen Euro. Nun soll hier eine zeitliche Begrenzung auf vier Monate erfolgen. Pirker bemängelte auch, dass es heute in der EU sieben Signalsysteme und sieben Spurweiten gebe. Hier eine Vereinheitlichung zu schaffen, würde mehr Kosteneffizienz bringen.

Der SPÖ-Delegationsleiter Jörg Leichtfried ärgerte sich einmal mehr über EU-Verkehrskommissar Siim Kallas. "Der schlechteste Verkehrskommissar in der EU, den wir je hatten". Einer der Auswüchse von Kallas Politik sei das vierte Eisenbahnpaket, obwohl das dritte erst marginal umgesetzt sei. Kallas sei von der Grundideologie her geprägt, dass am Wesen der Liberalisierung und Privatisierung Europas Eisenbahnen genesen, "koste es, was es wolle". Eine Umsetzung seiner Vorschläge würde die Qualität bestehender Eisenbahnsysteme zerschlagen, auch in Österreich und der Schweiz. Am Ende werde es maximal ein paar lukrative Hochgeschwindigkeitsstrecken gebe. In Österreich bleibe bestenfalls die Westbahn über.

Hohe Kosten

Lichtenberger zeigte sich ebenfalls skeptisch. Die Trennung von Betrieb und Netz sei für große Staaten halbwegs sinnvoll. Für kleinere "ist das ein Kostenfaktor, der sinnlos ist und nicht bringt, was er bringen soll". Obermayr sagte, wenn jeder Anbieter EU-weit Zugang zu allen nationalen Bahnnetzen bekommt, bedeute dies künftig für die ÖBB mehr Konkurrenz auf den wenigen Gewinn abwerfenden Strecken, während die Stilllegung von Nebenbahnstrecken nur mehr eine Frage der Zeit sei.

Am Dienstag hatten Eisenbahner aus mehreren Ländern vor dem Europaparlament in Straßburg gegen die Pläne der EU für mehr Wettbewerb im Schienenverkehr demonstriert. Die Beschäftigten fürchten bei einer weiteren Liberalisierung um ihre Arbeitsplätze. "Wir sind wütend. Hände weg von unserer Bahn!", hieß es auf Plakaten. Die französische Polizei bezifferte die Teilnehmer der Protestaktion mit 2.000. Dem Beschluss des EU-Parlaments folgen aller Voraussicht nach erst im Herbst Verhandlungen über die endgültige Fassung des Eisenbahnpaktes mit den Staaten. (APA, 26.2.2014)