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Weltweit gibt es Millionen "waste pickers", die für wenig Geld und mit hohem Gesundheitsrisiko Abfall behandeln.

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Wien - Es stinkt in den Gassen der Stadt. Eine warme Wolke von Urin, Kot und Tiergerüchen vermischt sich mit dem Staub der Straße. Müll liegt an jeder Ecke, wird weggeworfen oder in den Fluss gekippt. Eine richtige Müllabfuhr gibt es nicht. Krankheiten breiten sich leicht aus.

Dieses Stadtbild war Realität im Wien des 19. Jahrhunderts und ist noch immer Realität in vielen Städten in Entwicklungsländern. Dabei ist eine funktionierende Müllabfuhr und Abfallverarbeitung der Schlüssel zu Hygiene und Gesundheit. Für Paul Brunner vom Institut für Wassergüte, Ressourcenmanagement und Abfallwirtschaft der Technischen Universität Wien bringen Investitionen den billigsten und schnellsten Erfolg für die Eindämmung von Krankheiten.

Frage der Finanzierbarkeit

Unter anderem deshalb diskutierten Experten dieser Tage in Wien bei dem ersten "Etia Talk" (Etia: Environmental Technology & International Affairs) in der Diplomatischen Akademie. Studenten des Etia-Programms, einer Kooperation zwischen der Technischen Universität und der Diplomatischen Akademie, luden zum Thema Abfallmanagement in Entwicklungsländern. Dabei stand vor allem die Frage der Finanzierbarkeit im Raum. So verwenden Entwicklungsstaaten rund 0,2 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für die Sparte Müll. In entwickelten Ländern steigt der Anteil auf 0,4 Prozent des BIP, das zudem durchschnittlich zehnmal so hoch ist.

"Waste picker"-Recycling

Für Christoph Scharff, Vorstandsmitglied der Austria Altstoff Recycling AG (ARA), ist der wichtigste Schritt beim Müllsammeln: "Nur gesammelten Müll kann man auch verarbeiten." Dass dies in vielen Entwicklungsländern von sogenannten "waste pickers", also Müllsammlern, gemacht wird, bringt auch die soziale Komponente des Abfallthemas zum Vorschein.

So gehören die Millionen weltweit tätigen "waste pickers" oft zu den untersten Schichten der Gesellschaft, sind gesundheitlich schädlichen Stoffen ausgesetzt und verdienen oft nur wenig Geld, obwohl sie wichtige Arbeit leisten. Eine Untersuchung der Vereinten Nationen aus dem Jahr 2010 zeigt, dass die "waste pickers" in Städten in Entwicklungsländern zwischen 50 und 100 Prozent des gesammelten Mülls sammeln. Und das, ohne das städtische Budget Geld zu kosten. Erst in Kollektiven oder Gewerkschaften integriert, stellen sich soziale Verbesserungen für die Müllsammler ein.

Bessere Ausbildung

Für Heinz Leuenberger von der Unido, der Organisation für industrielle Entwicklung der Vereinten Nationen, sind die Müllsammler zudem ein essenzieller Bestandteil für Abfallverwertungsstrategien in Entwicklungsländern. Deshalb regt Leuenberger an, diese Mitarbeiter des "informellen Sektors" auszubilden, damit sie den Müll besser trennen und zerlegen können. Das Recycling soll dann weiterhin von Unternehmen in Europa, den USA oder China vorgenommen werden. Diese würden bereits über das passende Know-how verfügen.

Den Müll vor Ort als Ressource zu nutzen sei in Entwicklungsländern schwierig. Organischer Müll eigne sich zum Düngen, Abfall als Energiequelle lasse sich aber laut Leuenberger nicht überall umsetzen. Vor allem die schwankenden Strompreise in den betroffenen Ländern machten es für Investoren schwer, Müllverbrennungsanlagen zu finanzieren und langfristig zu betreiben.

Gold im Handy

Durch fehlendes Recycling in den Entwicklungsländern würde zudem nicht nur die Umwelt verschmutzt werden, sondern auch Rohstoffe verlorengehen. So befindet sich in einer Tonne Mobiltelefone rund 30-mal mehr Gold als in einer Tonne Gestein aus einer Goldmine.

Das dürfte auch ein Grund dafür sein, dass China mittlerweile zu einem der größten Müllimporteure der Welt aufgestiegen ist. Vor allem die USA und Europa schiffen ihren Abfall in das asiatische Land. In den Jahren von 2000 bis 2008 stieg Europas Export an Müll um 250 Prozent. 87 Prozent des gesamten Abfalls landen in China. Das Land der Mitte importiert zudem 70 Prozent des weltweiten Elektromülls.

Operation "Grüner Zaun"

Im vergangenen Jahr sorgte die chinesische Regierung für Furore, als sie die Operation "Grüner Zaun" ausrief. Diese legte fest, dass importierter Abfall nur zu 1,5 Prozent verunreinigt sein darf. Das führte dazu, dass China im Jahr 2013 rund 800.000 Tonnen Müll wieder zurückschickte, weil er nur lasch getrennt wurde.

Nach China darf exportiert werden, da es kein Entwicklungsland ist. Die Basler Konvention regelt seit 1992 die internationale Abfallwirtschaft und besagt, dass entwickelte Länder ihren gefährlichen Müll nicht in Entwicklungsländern abladen dürfen. Dennoch passiert es.

Im Dezember 2013 veröffentlichte Interpol Zahlen, wonach bei einer Razzia in einem von drei Containern mit gebrauchten Waren, die in Entwicklungsländer geschickt werden sollten, kaputte Geräte enthalten waren - also illegaler Elektromüll. Allein ein alter Röhrenbildschirm kann bis zu drei Kilogramm Blei beinhalten und in Entwicklungsländern massive Umweltschäden anrichten.

Wachsender Müllberg

Globale Lösungen für das Abfallbeseitigungsproblem gibt es immer noch nicht. Die Experten des Etia Talk waren sich am Ende der Diskussion vor allem in diesem Punkt einig, dass Müll eines der dominierenden Themen der Zukunft sein wird. Immerhin zeigt eine Weltbank-Studie aus dem Jahr 2012, dass der weltweite Müll bis zum Jahr 2025 von 1,3 Milliarden auf 2,2 Milliarden Tonnen ansteigen wird. Die Kosten für Müllbeseitigung werden damit von 205 Milliarden Dollar (rund 152 Milliarden Euro) auf 375 Milliarden Dollar (rund 277 Milliarden Euro) steigen. (Bianca Blei, DER STANDARD, 27.2.2014)