Anreise: mit dem Zug bis Silian; nach

Kalkstein im Winter nur Individualverkehr

Route: Kalkstein (1640 m) - Rosstal - Kalksteiner Jöchl (2326 m) - Gail (2494 m) bzw. Kreuzspitze (2624 m)

Gefahren: zum Kalksteiner Jöchl hinauf eventuell Schneebrettgefahr; Lawinen- risiko auf den Westhängen des Rosstals

Einkehr: keine

Karte: Kompass WK 45 "Defereggental, Villgratental"

Grafik: DER STANDARD

Wer ins Villgratental kommt, wird staunen: uralte Bauernhäuser aus dunklem Holz, dünn besiedelte Weiler und die über allem liegende Geruhsamkeit - als wäre der Zug der Zeit vorbeigefahren. Den jahrhundertealten Wurzeln verbunden, erfüllt man hier das größte Bedürfnis gestresster Zeitgenossen: "Ruhig bleiben!". Der größte Schatz des Villgratentales ist der, dass es hier eigentlich nichts gibt außer unverwundeter Naturlandschaft. Die bergbäuerliche Landwirtschaft behauptet ihren Platz und kehrt dem Massentourismus einfach den Rücken.

Weil das Gelände zwischen Südtirol, Defereggental und Kristeinertal kaum Felsberge, aber viele weite Hochflächen aufweist, finden Skitourenfreunde nahezu paradiesische Verhältnisse vor. Und: Durchschnittlich 50 Tage pro Jahr fällt hier Schnee, manchmal - wie heuer - eben zu viel. Aber daran sind die Villgrater gewöhnt, erzählt unser Quartiergeber, in Zweitberuf Bauer aus Leidenschaft: "Hier bestimmen Wetter und Berge den Rhythmus des Lebens, sie sind die Chefs, die uns Menschen die Richtung weisen!"

Ausgangspunkt vieler Touren ist der fünf Kilometer von Innervillgraten entfernt gelegene Weiler Kalkstein (1640 m). Die Postkartenkulisse rund um den kleinen Wallfahrtsort haben auch viele Regisseure für ihre Filme entdeckt. Unter anderen wurde hier Xaver Schwarzenbergs Gewitter im Mai nach der Buchvorlage von Ludwig Ganghofer gedreht.

Schon zuvor bekannt wurde der Ort jedoch durch die tragische Geschichte rund um Pius Walder, der im September 1982 vom Jäger Johann Schett beim Wildern erschossen wurde, "gezielt mit dem 8. Schuss", wie auf der Grabinschrift seiner Ruhestätte auf dem kleinen Friedhof zu lesen steht. Villgraten war auf einmal in den Schlagzeilen, spricht aber nicht gerne von diesen Geschehnissen.

Berge mit seltenem Besuch

Der Gail wie auch die benachbarte Kreuzspitze im Gsieser Tal, einer Fortsetzung des Villgratentales, gehören zu jenen Skibergen, die nur selten Besuch erhalten und deswegen den Feinschmeckern unter den Skitourengehern vorbehalten bleiben.

Zum Aufwärmen geht's erst einmal von Kalkstein südwärts durch schütteren Lärchenwald in Richtung Alfer Alm, bis nach 200 Metern, kurz vor der baumfreien Fläche, ein Wegweiser in Richtung "Rosstal" lenkt.

Weiter auf dem breitem Weg und begleitet von einem Bach nach Norden, am Kalksteiner Egg vorbei und im Linksbogen in das Rossbachtal. Auf der linken Seite kleine Gräben überschreitend, gemütlich flach dahin, mitunter ein wenig eingeklemmt zwischen den Felsabbrüchen von Multerspitze und Kärlsspitze zur malerisch gelegenen Lipperalm. Fotopause!

Weiter in eine weite Mulde bis zum Talschluss, wo der Hang steiler wird. Wenn hier - besonders bei starker Frühlingssonne - die Situation lawinös wird, besser in die Talmitte ausweichen! Bei Punkt 2040 gabelt sich der Weg: links hinauf zum Gail oder geradeaus zur Kreuzspitze - auch ein lohnendes Ziel, für das 30 Minuten mehr zu veranschlagen sind.

Der Weg zum Gail führt über einen nur nach heftigen Neuschneefällen gefährlichen Hang zum Kalksteiner Jöchl hinauf. Von hier auf der östlichen Seite des breiten Rückens, und dann etwas steiler mit ein paar Spitzkehren zum Vermessungssignal am Gipfel: Traumpanorama über die Sextener Dolomiten, die Ortlergruppe und den Ötztaler!

Die Abfahrt kann risikolos genossen werden und ist Anfängern wie auf den Leib geschnitten: lange, hindernislose Hänge mit sattem Gefälle, der weite Almboden des Rosstales, Sonnenplätze vor Heustadeln und ein etwas enger, aber ideal geneigter Weg durch den Wald zurück nach Kalkstein. (Thomas Rambauske, DER STANDARD, Album, 1.3.2014)