In der Krise haben Gefühle Hochkonjunktur. Manchmal verhelfen schöne Zukunftsbilder
zu mehr gefühlter Sicherheit.

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Er sei einmal gefragt worden, worin er seine zentrale Aufgabe als Zukunftsforscher sehe, sagt Horst W. Opaschowski. Als Hamburger vergleiche er seine Arbeit mit der Fahrt durch den Elbtunnel: "Wenn man in den Tunnel reinfährt, dann bremst man - und erst wenn man das Licht am Ende des Tunnels sieht, gibt man wieder Gas." Seine Aufgabe sehe er darin, für das Licht am Ende des Tunnels zu sorgen.

Zukunftsforscher Opaschowski ist einer von zahlreichen Vortragenden - darunter der ehemalige Fifa-Schiedsrichter und Berater Urs Meier oder Hans Dieter Pötsch, Chief Financial Officer der Volkswagen AG - zum Thema "The New Normal", das sich durch den 34. Österreichischen Controllertag am 6. und 7. März ziehen wird. Wissenschaftlicher Leiter des Kongresses ist der Vorstand des Instituts für Strategisches Management der WU Wien, Werner Hoffmann.

"Neue Gleichgewichtsethik"

In Zeiten zunehmender Unsicherheit tendieren Unternehmen dazu, noch detaillierter zu planen, um die Zukunft "beherrschbarer" zu machen. Nicht selten enden diese Versuche in der restlosen Vergeudung von Ressourcen in Detailplanungen. Was also tun? Mit der Unsicherheit umgehen lernen, sagt Hoffmann: "Die geänderten Rahmenbedingungen als neue Normalität annehmen." Nicht nur Zukunftsforscher Opaschowski sieht "grundlegende Paradigmenwechsel in der Wirtschaft und in der Gesellschaft, die auf uns zukommen müssen". Er spricht von einer "neuen Gleichgewichtsethik" in Bezug auf Leistung und Lebensgenuss, bezogen auf Jung und Alt in den Unternehmen, bezogen auf Rollenaufteilung zwischen Mann und Frau.

Zwei Punkte hebt der Zukunftsforscher besonders hervor: "Die Familie", sagt er, "wird neben der Gesundheit zum Lebensinhalt überhaupt - und zwar im Sinne von Verlässlichkeit und Beständigkeit." Diejenigen, die keine Familie haben oder gründen konnten, werden sich in "soziale Konvois" formieren - "es wird neue Wahlverwandtschaften geben, Hausgemeinschaften, Generationenhäuser, die füreinander eintreten, weil es der Staat nicht mehr kann." Es wird wichtiger werden - fürs Überleben -, ein starkes soziales Netz zu haben, sagt Opaschowski, der eine "qualitative Wende" im Sinne von "lieber gut leben als viel haben" kommen sieht. Opaschowski: "Wohlstand wird nicht mehr eine Frage des Geldes sein, sondern zu einer Frage des sozialen Wohlergehens werden. Die Menschen werden unter Umständen materiell ärmer sein, aber sie werden besser leben, weil sich ihr Wohlstandsdenken verändern wird und schon verändert." (Heidi Aichinger, DER STANDARD, 1./2.03.2014)