Nur ein Jahr nach der Landtagswahl rüsten sich die Parteien in Niederösterreich für den nächsten Urnengang. Im März 2015 stehen die Gemeinderäte in 570 der 573 Kommunen zur Wahl. Andrea Heigl und Gudrun Springer über sechs große und kleine, schwarze und rote Orte, in denen es in den letzten Jahren politisch besonders heiß hergegangen ist. (DER STANDARD, 1.3.2014)

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Rechte Regungen und andere Unannehmlichkeiten - Amstetten kam nicht aus den Schlagzeilen

Amstetten - Alles begann mit Josef F. Mit dem großen Inzestfall kam Amstetten, eine eher beschauliche Kleinstadt im Mostviertel, 2008 zu zweifelhafter Berühmtheit. Und wenn auch die internationale Mediencoverage nach dem Fall F. sprunghaft nachließ, so wollten die unangenehmen Schlagzeilen doch nicht enden.

Als 2011 der grüne Gemeinderat Raphael Lueger forderte, Adolf Hitler die Ehrenbürgerschaft abzuerkennen, offenbarte sich Erstaunliches im Gemeinderat: Die SP kam dem (rechtlich belanglosen) Wunsch zähneknirschend nach, nicht ohne Lueger dafür maßzuregeln, das Thema aufs Tapet gebracht zu haben. Die Blauen verweigerten überhaupt ihre Zustimmung zu dem Antrag. FP-Gemeinderätin Brigitte Kashofer war es auch, die für den nächsten Wirbel in der Stadt sorgte, indem sie 2012 das Frauenhaus torpedierte. Dieses hält sie für "an der nachhaltigen Zerstörung von Ehen und Partnerschaften maßgeblich beteiligt".

Kurz zuvor hatte sich überraschend der langjährige, beliebte SP-Stadtchef Herbert Katzengruber aus dem Bürgermeistersessel verabschiedet; der ganze Wirbel dürfte maßgeblich dazu beigetragen haben. Seine Nachfolgerin Ursula Puchebner steht 2015 vor der Herausforderung, 57 Prozent zu verteidigen. Scheitert sie, wäre das symbolträchtig, ist Amstetten doch eine der letzten verbliebenen roten Bastionen in Niederösterreich.

Foto: Reuters

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Zustimmung und Gegenwind im ersten Amtsjahr - Groß-Siegharts liegt in der Windradzone

Groß-Siegharts - Groß-Siegharts ist eines der wenigen roten Einsprengsel auf der tiefschwarzen Landkarte des Waldviertels. Neun Jahre lang war Maurice Androsch (SP) dort Bürgermeister. 59 Prozent der Stimmen erhielt seine Partei bei der letzten Gemeinderatswahl im Jahr 2010. In der Zwischenzeit ereilte den Ortschef der Ruf aus St. Pölten: Nach der Landtagswahl 2013 wurde Androsch Landesrat. Sein bisheriger Vize, Gerald Matzinger, kam in der 2782-Einwohner-Stadt im Bezirk Waidhofen an der Thaya ans Ruder.

In diesem einen Amtsjahr blies Matzinger schon einige Male ganz schön kühler Wind entgegen: Beispielsweise, als die Gemeinde mit dem Windparkbetreiber WEB einen sogenannten Gestattungsvertrag abschloss - und Gegner des in Groß-Siegharts geplanten Windparks mit Schildern vor dem Gemeindeamt ihren Unmut demonstrierten. "Politiker schämt euch!" und "Wir lassen uns die Wälder nicht zubetonieren!", war da zu lesen.

Dass dieser Beschluss noch vor der Präsentation des Windräder-Zonenplans des Landes gefasst wurde, sorgte in der - über Gemeindegrenzen hinweg gut organisierten - Gegnerschaft für Unmut. Matzinger hat aber einen Joker in der Tasche: In einer Volksbefragung im Frühjahr 2013 stimmten 56 Prozent der Bürger für die Errichtung der Windräder in der wirtschaftlich schwachen Region.

Foto: APA

Politischer Zündstoff aus dem Untergrund - Wirtschaft versus Bürger in Herrnbaumgarten

Herrnbaumgarten - Sinn für Humor ist den Herrnbaumgartnern wahrlich nicht abzusprechen: In dem Weinviertler 1000-Seelen-Dorf nahe der tschechischen Grenze steht das "Nonseum", ein Museum für absolute Sinnlosigkeiten. Ausgestellt werden dort zum Beispiel eine Knopflochsammlung, ein ausrollbarer Zebrastreifen und ein Halbglatzenkamm.

Als die seit Jahrzehnten in der Region tätige OMV auf die Idee kam, in und rund um Herrnbaumgarten Schiefergas zu fördern, war für die Dorfbewohner ganz schnell Schluss mit lustig. Die Landtagswahl stand bevor, die niederösterreichische VP kam in die Bredouille: Wen sollte man vergrämen - die Bewohner einer tiefschwarzen Region oder ein riesiges Energieunternehmen? Man entschied sich schließlich für Letzteres. Auf Drängen aus St. Pölten gab es eine Novelle der Umweltverträglichkeitsprüfung, die das sogenannte Fracking massiv verteuert hätte; die OMV strich im Herbst 2012 ihre Pläne zur Schiefergasförderung. Und die VP kam bei der Landtagswahl in Herrnbaumgarten mit ein paar Prozent Minus davon.

Nicht alle in der Region trauen freilich dem Schiefergas-Frieden. Die Bürgerinitiative "Weinviertel statt Gasviertel" ist weiterhin aktiv. "Wir sind wachsam und werden es bleiben", lautet nun das Motto.

Foto: Bürgerinitiative/Helene Waldner

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Das "unterschätzte" Golfplatzthema - Klosterneuburger sagten Umwidmungen ab

Klosterneuburg - Viele kritische Stimmen regten sich in Klosterneuburg in den vergangenen Jahren und Monaten: Als Ende vorigen Jahres wegen möglicher Umwidmungen von Grün- in Bauland sowie wegen der Errichtung eines Golfplatzes und eines Feuerwehrhauses die Klosterneuburger zur Befragung gebeten wurden, gingen die Wogen hoch. Allein die Fragestellungen erregten Unmut - eine Bürgerinitiative reichte denn auch einen eigenen Fragebogen ein. Fast allen Projekten, die der Bürgermeister gerne vorangetrieben hätte, erteilten die Klosterneuburger klare Absagen.

Klar war auch die Entscheidung für Stefan Schmuckenschlager vor vier Jahren gewesen: Der heute 35-Jährige fuhr bei der letzten Gemeinderatswahl 2010, ein paar Monate nachdem er das Amt übernommen hatte, ein Zehn-Prozent-Plus ein. Die VP-Liste regiert seither mit einer satten absoluten Mehrheit. Zweitstärkste Partei ist die SP, die vor vier Jahren nur 15 Prozent der Wähler überzeugt hat.

Die Pläne für einen Golfplatz beim Rehabzentrum "Weißer Hof" hatten in Klosterneuburg über Jahre immer wieder für Debatten gesorgt. Offenbar öfter als Schmuckenschlager gedacht hätte: In einem Interview gab er denn auch einmal zu, das Golfplatzthema unterschätzt zu haben.

Foto: APA

Auf märchenhafte Ergebnisse folgte Finanzskandal - Schwechat von Multiversum-Affäre erschüttert

Schwechat - Es war einmal ein Bürgermeister, der bei seinem ersten Wahlantritt ein märchenhaftes Ergebnis einfuhr: 69 Prozent der Wahlberechtigten gaben seiner Partei ihre Stimme. Anno 2010 ging es respektabel weiter: 58 Prozent der Menschen in Schwechat schenkten ihr Vertrauen Hannes Fazekas.

Inzwischen ist der Mann, der einst als Zukunftshoffnung der SP gegolten hat, infolge des Finanzskandals rund um den Bau der Veranstaltungshalle Multiversum zurückgetreten. Fazekas soll laut Rechnungshof-Rohbericht - die Prüfer hatten die Finanzgebarung der Stadt durchleuchtet - mehrmals seine Kompetenzen überschritten haben. Auch die Staatsanwaltschaft ermittelt.

Fazekas' Nachfolger Gerhard Frauenberger (SP), zuvor Vizebürgermeister, hat derzeit alle Hände voll zu tun, die Affäre aufzuarbeiten und Ruhe in die eigenen Reihen zu bringen. Mit Fazekas nahmen neun weitere SP-Mandatare den Hut. Die Opposition, die sich seit dem Wechsel im Bürgermeisteramt geduldig zeigte, schäumt schon wieder, da ihr konkrete Schritte zur Haushaltskonsolidierung fehlen.

Außerdem sehen sich VP, FP und Grüne hinters Licht geführt: An der Arbeit für die Stellungnahme der Stadt zum vernichtenden Rechnungshof-Rohbericht soll ein Anwalt mitgewirkt haben, der ein Naheverhältnis zum jetzigen Vizebürgermeister, Franz Semtner (SP), hat. Beide sollen das aber verheimlicht haben. So mancher Politinsider äußert bereits Zweifel daran, dass Schwechat erst 2015 wählt.

Foto: SG Schwechat

"Führerglocke" weckte das beschauliche Dorf auf - Wolfpassing ringt um Zukunft seines Schlosses

Wolfpassing - Wachsende Bevölkerung, große Betriebsansiedelungen, und seit Kurzem sogar eine einheitliche Postleitzahl - das knapp 1500 Einwohner zählende, tiefschwarze Wolfpassing im Mostviertel ist der Traum jedes Bürgermeisters. Im Ortszentrum steht ein Schloss, das jahrzehntelang eine renommierte Molkerei beherbergte, später diente es als Schule und Veranstaltungsort. Doch mit dem Verkauf im Vorjahr setzte die Bundesimmobiliengesellschaft einiges an Fliehkräften frei.

Nach ewigem Hin und Her ging das riesige Areal für weniger als zwei Millionen Euro an einen öffentlichkeitsscheuen Linzer Immobilienentwickler. Was der damit vorhaben könnte, darüber hatte der Stammtisch viele Theorien - von der Oligarchenresidenz bis zum Bordell. Tatsächlich blieben Politik und Bevölkerung über die Pläne im Dunkeln. Nun steht das Schloss dem Vernehmen nach wieder zum Verkauf - und nach wie vor leer.

Mitverkauft wird auch ein Nazirelikt, eine Adolf Hitler gewidmete Glocke, die seit 1939 im Turm bimmelt. Ihre Existenz war in Vergessenheit geraten, bis sich der Lokalhistoriker Johannes Kammerstätter 2013 dafür stark machte, sie aus dem Turm zu entfernen und - in den entsprechenden Kontext gesetzt - für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Eine Entscheidung darüber steht noch aus.

Foto: BWAG/Commons (CC BY-SA)