Es ist eine gefährliche Zuspitzung, die auf der Halbinsel Krim zu beobachten ist: Bewaffnete Einheiten besetzen Flughäfen, Hubschrauber des russischen Militärs überfliegen die Halbinsel, tausende russische Soldaten werden in Marsch gesetzt. Nach dem Ende der Olympischen Spiele handelt Russlands Präsident Wladimir Putin. Er hat das Parlament um die Genehmigung gebeten, Truppen in die Ukraine zu entsenden. Der Föderationsrat stimmte bereits zu. Ob Putin einen begrenzten Militäreinsatz anstrebt oder vor Krieg nicht zurückschreckt, ist nach der Eskalation der Ereignisse am Samstag noch offen. 

Putin will mit dieser Mobilisierung militärische Stärke zeigen, die über das bisherige Säbelrasseln hinausgeht: Das soll der neuen Führung in Kiew klarmachen, dass sich eine Einmischung auf der Krim nicht lohnt. Aber auch die USA und Europa hat Putin im Blick: Washington soll erkennen, dass auf der Krim Kerninteressen Russlands betroffen sind. Dazu passt, dass auf der Sitzung des Föderationsrats, bei der der Truppenentsendungsbeschluss einstimmig fiel, die USA mehrmals stark angegriffen wurden. Ein Sprecher forderte Putin auf, Frankreich, Polen und Deutschland dazu zu bringen, "ihre Verantwortung für die Ereignisse in der Ukraine einzugestehen". Russland sieht sich vom Westen ausgegrenzt und indirekt angegriffen. Dass US-Präsident Barack Obama den Ernst der Lage erkennt, zeigt sein Auftritt in der Nacht zum Samstag, bei dem er Russland zur Mäßigung aufrief. Stunden später setzte Putin tausende Soldaten in Marsch - erst recht.

Die neue Führung in der Ukraine hat mit der Abschaffung von Russisch als zweiter Amtssprache zur Zuspitzung des Konflikts beigetragen. Dass der vom Westen begrüßte Machtwechsel im übrigen rechtsstaatlich problematisch war, lieferte nicht nur Russland Argumentationshilfe.

Der EU bleibt einmal mehr die Rolle des Beobachters, der von außen Appelle zur Mäßigung abgibt. Konkrete Hilfszusagen, die den drohenden Staatsbankrott abwenden könnten, hat Brüssel eine Woche nach dem Machtwechsel in Kiew noch nicht gemacht. Kiew beziffert den aktuellen Bedarf mit umgerechnet 35 Milliarden US-Dollar. Wie die versprochene "europäische Perspektive" aussehen soll, ist weiter offen. Eine EU-Beitrittsperspektive ist nicht realistisch.

Russland hat dagegen auch im finanziellen Bereich Taten gesetzt und Finanzhilfen auf Eis gelegt. Ursprünglich hat Moskau dem inzwischen abgesetzten ukrainischen Präsidenten Wiktor Janukowitsch umgerechnet 15 Milliarden US-Dollar versprochen. 

Es gehört seit Jahren zur russischen Sicherheitsphilosophie, notfalls auch für den Schutz von Russen im Ausland einzutreten. Die Krim-Führung bot mit ihrem Hilfsappell an Moskau einen willkommenen Anlass. Die Gefahr einer Teilung der Ukraine hat sich mit den Ereignissen vom Samstag dramatisch verschärft.  (DER STANDARD, 1.3.2014)