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Der russische Kreuzer Moskva im Hafen von Sewastopol als stolzes Symbol der nicht minder stolzen russischen Schwarzmeerflotte - spätestens seit dem Krimkrieg ein nationaler Mythos.

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Der Ukrainer Nikita Chruschtschow schenkte die Krim 1954 der Ukraine.

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Johannes Hahn, EU-Regionalkommissar, zeigte sich in der ORF-"Pressestunde" "maßlos enttäuscht" von Russland: "Was Putin da gemacht hat, ist aufs Schärfste zu verurteilen", sagte Hahn. Was Russland "sichtlich noch nicht verstanden" habe: "Wir sind in einer multipolaren Welt angekommen, wo die Dinge so verwoben und verquickt sind, dass derartige Maßnahmen vollkommen kontraproduktiv sind – auch für das russische Volk."

Allerdings: Die multipolare Welt gab es de facto seit der Antike – zumindest was die Krim betrifft. Seit jeher stand diese größte Halbinsel im Schwarzen Meer im Zentrum der Interessen zahlreicher Mächte: Kimmerier, Taurer, Skythen, Griechen und Römer gerieten aneinander; sie wurde während der Völkerwanderung von den Krimgoten überrannt; es folgten Hunnen, Chasaren, Kumanen und Krimtataren.

1774 wurde die Krim vom Osmanischen Reich unabhängig und zunehmend vom Russischen Reich abhängig. Die Russen gründeten Sewastopol und bauten den Hafen zum wichtigsten Stützpunkt ihrer Schwarzmeerflotte aus – viele russische Soldaten blieben. Das milde, mediterrane Klima machte die Halbinsel vor allem im Süden zum "Sanatorium Russlands".

Im aktuellen russischen Muskelspiel fühlt sich US-Außenminister John Kerry an das 19. Jahrhundert erinnert; das ist historisch nachvollziehbar. Der Krimkrieg von 1853 bis 1856 begann mit einem Vorwand: Der osmanische Sultan hatte 1847 den silbernen Stern von der Geburtskirche in Betlehem entfernen lassen. Der Zar brach, als selbsternannter Schutzherr aller (orthodoxen) Christen, den Krieg vom Zaun.

Osmanisches Reich, Frankreich und Großbritannien wollten die russische Machtdemonstration nicht zulassen. Sie alle einte das Interesse, den Einfluss des Zarenreichs nach den Napoleonischen Kriegen zurückzudrängen.

Im Zweiten Weltkrieg wurde die Krim 1942 durch die deutsche Wehrmacht besetzt, die Rückeroberung erfolgte, höchst verlustreich, 1944. Die Krimtataren, die Stalin der Kollaboration verdächtigte, wurden deportiert.

Schenkung mit Folgen

1954 schenkte der aus der Ukraine stammende sowjetische Staatschef Nikita Chruschtschow die Krim der Ukraine. Sein Sohn, der Politologe und Raumfahrtingenieur Sergej Chruschtschow, sagte einmal, sein Vater habe dies aus praktisch-ökonomischen Gründen getan. Damals seien Schifffahrtskanäle von der Wolga zur Krim und ins Donezbecken geplant worden, und es sei planerisch klüger gewesen, damit nicht zwei Sowjetrepubliken, sondern nur eine zu befassen. Dass die Sowjetunion je zerfallen könnte, stellte sich Chruschtschow wohl kaum vor.

1991 geschah genau das. Die Russische Föderation verlor den Anspruch auf Sewastopol. Erst der Vertrag von 1997 regelte den Verbleib der russischen Marine bis 2017. Im Konflikt mit Georgien 2008 ergriff die Ukraine unter dem damaligen Premier Wiktor Juschtschenko allerdings die georgische Partei und drohte, den Vertrag nicht zu verlängern. Erst Wiktor Janukowitsch verlängerte ihn bis 2042 – gegen billiges Gas.

Heute bewohnen rund zwei Millionen Menschen die Krim: mehrheitlich Russen (58,5 Prozent), gefolgt von Ukrainern (24,4 Prozent) sowie rund 250.000 zurückgekehrten Krimtataren und weiteren Minderheiten. Der Wunsch, zu Russland zu gehören, ist stark auf der Krim – aber nicht bei allen. Viele, auch ethnische Russen, streben Autonomie an. (stui, DER STANDARD, 3.3.2014)