Oberflächlich betrachtet wirkt eine Teilung der Ukraine wie der vernünftigste Ausweg aus einer Krise mit Kriegsgefahr. Bei genauerer Betrachtung zeigen sich aber schnell die Tücken eines solchen Vorgangs. Er hätte ein großes Vorbild: die vom damaligen Staatspräsidenten Václav Havel zugelassene friedliche Teilung der Tschechoslowakei – sie war ein Glücksfall der jüngeren Zeitgeschichte. Aber ist so etwas wiederholbar? Antwort: ganz schwer.

Man war damals auch in einer Ausnahmesituation. Die Sowjetunion zerfiel gerade, im Kreml gab es keine Zeit und Kraft, bei mitteleuropäischen Veränderungen mitzumischen. Václav Havel war eine absolute Autorität und ein Mann mit Augenmaß. Heute ist der wichtigste Machthaber Wladimir Putin, zwar kein Hitler, aber jemand, der Russlands zwischendurch gefährdete Hegemonie in  Osteuropa auch territorial absichern möchte. Die Ukraine, den zweitgrößten Flächenstaat Europas, zum Vollmitglied der EU zu machen war für den russischen Nationalisten von Haus aus eine Kampfansage. Das wurde im Westen unterschätzt.

Vorschläge zur Teilung

Moskau hat bereits mehrere Male Vorschläge einer "Teilung" gemacht – allerdings nur in wirtschaftlicher Hinsicht. Zuletzt sprach am 19. Februar Putin-Berater Sergej Glasjew davon, die ukrainischen Regionen selbst entscheiden zu lassen, welchem Wirtschaftsblock sie sich anschließen wollten – der EU oder der von Putin geplanten Union mit Russland. Glasjew meinte, das könnte die politische Spaltung der Ukraine verhindern. Man kann es aber auch anders sehen: als Vorfeld einer späteren (geo)politischen Teilung.

Denn alle anderen Szenarios haben mindestens ebenso viele Pro und Contras.

Szenario 1

Die Ukraine bleibt ungeteilt: Da würde sich die jüngste Geschichte wiederholen, weil jeder Wahlsieger, jede Wahlsiegerin ihre Versprechen nicht einlösen kann. Die Ukraine steht wirtschaftlich, wie man weiß, am Abgrund. Auch die EU kann die Sanierungskosten nicht leisten. Ein Beitritt der Ukraine käme viel, viel teurer als einer der Türkei.

Szenario 2

Teilung nach ethnischen Gesichtspunkten: Da der Bevölkerungsanteil der Ukrainer rund 77 Prozent ausmacht, jener der Russen aber nur 17 Prozent, bleibt für die "Großrussen" nur ein relativ kleiner Teil des Osten und Südens (inklusive Krim) übrig. Das ist nicht realisierbar.

Szenario 3

Teilung nach den Religionen: Da ist es genau umgekehrt. In den historischen Regionen von Galizien, Wolhynien und der Bukowina dominieren mit Rom unierte, aber nach orthodoxem Ritus organisierte Katholiken. Zusammen mit römischen Katholiken kommen sie auf nicht ganz sieben Millionen. Also resultiert auch daraus kein praktikabler Teilungsschlüssel.

Szenario 4

Historisch: Am öftesten genannt wird für eine Teilung das Gebiet der "Westukraine" – also all jene Territorien, die unmittelbar an Polen, die Slowakei, Ungarn und Rumänien grenzen. Ein kleinerer Teil zweifellos, aber lebensfähig. Der größere wäre der östliche, geschichtlich immer schon dem russichen Einfluss stärker unterworfen als der westliche.

Wahrscheinlich müsste es zu einer Art "Mini-Jalta" kommen. Wieder auf der Krim. (Gerfried Sperl, derStandard.at, 3.3.2014)